Der Gemeinderat ist ein Dreivierteljahr lang sehr freigebig gewesen, jetzt wird er zur Räson gerufen . Mit den Etatberatungen beginnt die vorweihnachtliche Fastenzeit.

Ludwigsburg - Die Stadt hat dieses Jahr so viel Steuern eingenommen wie seit Kriegsende nicht, trotzdem soll der Gemeinderat jetzt auf die Kostenbremse treten. Seit Jahresbeginn hat das Gremium munter Geld verteilt – das meiste im Glauben, dass die dürren Jahre fürs Erste mal wieder vorbei sind. Strukturelle Sparbeschlüsse wurden rückgängig gemacht und viele Investitionen im Millionenbereich auf den Weg gebracht. Nun hat der Kämmerer alles noch einmal durchgerechnet und festgestellt, dass man sich wohl verhoben hat. Es ist, als habe Ulrich Kiedaisch die Bürgervertreter aus einem schönen Traum aufgeschreckt. Die Räte reagieren „irritiert“, „überrascht“ oder „verärgert“.

 

Höher Gewerbesteuer ist schon eingerechnet

Der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr wird zwar erst morgen vorgestellt, aber der Kämmerer hat den Stadträten schon einmal eine Liste der Bauvorhaben für 2013 bis 2015 vorgelegt. Mit der Bitte, Prioritäten zu setzen. „Von einer Finanznot zu sprechen, wäre übertrieben“, sagt Kiedaisch. Aber um alles auf einmal zu finanzieren, was in diesem Jahr beschlossen wurde, müsste Ludwigsburg die Rücklagen aufzehren oder soviel Schulden machen, das noch die Enkel dafür zu zahlen hätten. Der Kämmerer erinnert daran, dass in den nächsten Jahren noch Millionen für den Ausbau der Kinderbetreuung und die Schulsanierung aufzubringen sind. Außerdem schlügen eher kurzfristig beschlossene Vorhaben wie die integrierte Leitstelle für den Rettungsdienst, der Aufbau einer neuen Polizeitruppe und das Parkraumkonzept Oststadt zu Buch.

Eckart Bohn (SPD) ist erstaunt darüber, dass für längst beschlossene Bauvorhaben wie die Sanierung des Goethe-Gymnasiums, der Ostsporthalle oder den Ausbau der Tagesstätte in der Reichertshalde im Etatentwurf noch keine Zahlen eingestellt worden sind. Auch Markus Gericke (Grüne) und Klaus Herrmann (CDU) vermissen entsprechende Vorgaben für Anfinanzierungen. Reinhard Weiss (FW) moniert, dass stattdessen eine noch gar nicht beschlossene Erhöhung der Gewerbesteuer eingerechnet worden sei. Markus Müller (FDP) meint, die Verwaltung habe den Räten mit dieser Liste den Schwarzen Peter zugespielt: „Jetzt heißt es, wenn ihr das alles wollt, müsst ihr es auch beantragen.“

Feilschen um Projekte

Noch ist nicht ganz klar, wie groß der gemeinsame Nenner sein wird, auf den sich der Gemeinderat einigen kann. Mehrheitsfähig scheinen bisher nur die Vorhaben Reichertshalde, der Bau der Ostsporthalle sowie die Gestaltung des Synagogenplatzes zu sein. „Man kann nicht die Bürger jahrelang um Entwürfe und Ideen bitten und dann nichts machen“, sagt Bohn in Bezug auf die geplante Erinnerungsstätte für die ermordeten Juden. Weniger einhellig fällt die Meinung zum Goethe-Gymnasium aus. Niemand möchte den Lehrern und Eltern sagen, dass das schon mehrfach verschobene Projekt schon wieder verschoben wird. Doch hier könnte ein logistisches Problem den Räten aus der Peinlichkeit helfen: der Umzug der Pestalozzischule verzögert sich um mindestens sechs Monate, und erst wenn der abgeschlossen ist, können die Handwerker im Goethe anfangen.

Andererseits aber hat längst das Feilschen um Projekte begonnen. So stellen die Freidemokraten die erst vor vier Wochen beschlossene Kunsttriennale zur Debatte. „Hier geht es immerhin um 300 000 Euro“, sagt Müller. „Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass wir einen hoch bezahlten Bahnhofsmanager einstellen“, sagt SPD-Stadtrat Bohn. „Auch das ist schließlich eine Frage der Prioritäten.“