Oldtimer boomen, aber immer weniger Werkstätten kennen sich damit aus. Auszubildende an der Carl-Schaefer-Schule lernen, wie man die historischen Fahrzeuge repariert.

Ludwigsburg - Andreas Köhler holt die kleinen silbernen Schlüssel aus der Hosentasche. Dann startet er den Motor, und der mehr als ein halbes Jahrhundert alte taubenblaue Mercedes 220 SE erwacht röhrend zum Leben. Die Luft riecht nach Benzin, als Köhler die Limousine mittels Hebebühne in die Luft befördert. Fünf junge Leute betrachten die Vorderachse des Oldtimers. Erik Morast, Nicolas Beck, Marc Giebler, Ruben Viera und Fabian Feucht sind Berufsschüler an der Carl-Schaefer-Schule in Ludwigsburg. Sie sollen herausfinden, wo Spurstange, Achsschenkel und der obere Querlenker liegen. Die Technik von Oldtimern ist für die Carl-Schaefer-Schüler noch neu – sie gehören zum ersten Jahrgang, bei dem dieses Thema im Unterricht behandelt wird.

 

Die Oldtimer-Branche boomt

Der Grund ist simpel: Die Oldtimer-Branche boomt seit Jahren. „Jeder sechste Oldtimer in Deutschland hat seine Heimat in der Region“, sagt Christian Reher, der Geschäftsführer der Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart. In den vergangenen zwei Jahren sei der Bestand hier an mehr als 30 Jahre alten Wagen um rund 20 Prozent auf 16 000 Fahrzeuge gestiegen. „Das können wir aber nur an den H-Kennzeichen messen“, sagt Torsten Treiber, der Obermeister der Kraftfahrzeuginnung in Stuttgart. Wie viele Fahrzeuge unangemeldet in der Garage stünden, wisse man nicht. Der starke Zuwachs hängt nicht nur damit zusammen, dass mehr Menschen ihre Leidenschaft für alte Autos entdecken. Die Oldtimer sind in Zeiten von Minuszinsen auch eine gute Geldanlage.

Die meisten Oldtimer-Besitzer sind Bastler. „Manchmal muss man trotzdem in eine Werkstatt“, sagt Treiber, „und sei es nur, weil man das nötige Spezialwerkzeug nicht hat.“ Viele Werkstätten sind auf die Besonderheiten historischer Fahrzeuge nicht eingestellt – das Wissen über deren Technik geht vielerorts verloren. „Die Motoren sind zwar oft noch gleich“, sagt Torsten Treiber. „Aber das Drumherum ist ganz anders.“ Nur fünf von 200 Mitgliedsbetrieben der Kraftfahrzeuginnung im Landkreis Ludwigsburg dürfen sich „Fachbetrieb für historische Fahrzeuge“ nennen.

Fehlermeldungen werden heute elektronisch übermittelt

„Viele ältere Mechaniker wissen noch, was ein Verteiler ist und wie man einen Doppelvergaser einstellt“, sagt Christian Reher. Der Nachwuchs aber habe damit so seine Schwierigkeiten. Kein Wunder. Denn heute lernen angehende Kraftfahrzeug-Mechatroniker vor allem, wie sie elektronische Fehlermeldungen zu interpretieren haben, die mittels einer On-Board-Diagnose-Schnittstelle übermittelt werden. Die Kraftfahrzeuginnung hat deshalb im vergangenen September ein Pilotprojekt für 130 Berufsfachschüler gestartet. Neben 100 angehenden Kraftfahrzeug-Mechatronikern Ludwigsburg lernen auch 30 Schüler in Backnang (Rems-Murr-Kreis), was es bei Oldtimern zu beachten gibt.

An der Carl-Schaefer-Schule stehen die Oldtimer einmal pro Woche auf dem Lehrplan – im ersten Ausbildungsjahr noch hauptsächlich theoretisch. Die eigentliche Praxis, das Schrauben an den alten Autos, steht erst im zweiten und dritten Lehrjahr an. „Bei den Schülern kommt das neue Modul sehr gut an“, sagt der Studiendirektor Wolfram Rupp. „Manche älteren Schüler finden es schade, dass sie es nicht durchnehmen.“ Die Theorie lernen die Schüler aus alten Handbüchern. Der Berufsschullehrer Köhler kennt sich bestens mit der Materie aus; er hat selbst fast ein dutzend Oldtimer zuhause stehen. Anhand verschiedener Automodelle stellt er den Schülern in jeder Unterrichtsstunde eine neue Aufgabe. Der Mercedes 220 SE etwa soll für eine Rallye fit gemacht werden.

Das Projekt soll ausgeweitet werden

Die Schüler sind mittlerweile zur Hinterachse des Autos vorgerückt. Köhler zeigt mit einer Taschenlampe auf die einzelnen Teile und erklärt den Azubis, warum dort eine breite Feder eingebaut ist: Bremse man in einer Kurve, würde der Mercedes ohne diesen Ausgleich hinten wegrutschen.

Für die Kraftfahrzeuginnung sind die Schüler in Ludwigsburg nur der Anfang. „Unser Ziel ist, dass langfristig alle Auszubildenden im Kreis lernen, wie man mit Oldtimern umgeht“, sagt Treiber.