Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Richtig gelesen, die Heldin ist Schriftstellerin – und dennoch zögert Knauss, „Das Liebesgedächtnis“, ihren 13. Roman, als ihr persönlichstes Buch zu bezeichnen. Tatsache ist jedoch, dass es von einer Autorin in Knauss’ Alter erzählt, die ebenfalls gerade ihren 13. Roman schreibt. Darin versucht sie, ihr langsam schwindendes Gedächtnis als Datei auf eine Notebookfestplatte auszulagern, indem sie von ihrer letzten großen Liebe im Alter erzählt. „Ich hoffe, dass mich mein Gedächtnis nicht verlässt, bevor ich davon erzählt habe“, heißt es an einer Stelle. Das Wort Demenz fällt erst nach einem Viertel des Buches. Deutlich aber wird, dass irgendwann in der Liebe nur noch das Gedächtnis der Haut, des Geruchs und des Gefühls zählen.

 

Das Beispiel ihrer Mutter vor Augen

Natürlich passen viele Beschreibungen dieses „vielleicht optimistischen Buches“ (Knauss) auch auf seine Autorin. „Das Buch spielt hier und heute“, sagt sie. Und natürlich habe sie das Beispiel ihrer Mutter vor Augen, deren Demenz genau in dem Alter einsetzte, als Knauss’ Protagonistin beginnt, diese Veränderungen an sich selbst zu bemerken. Und da ist die authentische Autorin und Frau Sibylle Knauss, die sich ebenso wie ihre Romanfigur fragt, was im Alter von der Liebe bleibt, wie sie sich anfühlt und was vom Schreiben bleibt, wenn das Gedächtnis schwindet. „Diese Vorstellung ist katastrophal und der Horror schlechthin für mich“, sagt Knauss schonungslos offen. Aber dann zieht sie sich schnell wieder auf die Position der Leserin zurück, die sie ja auch sei. „Fragt man sich nicht immer, wie viel ein Autor von sich preisgibt“, fragt sie zurück – und bezeichnet dieses Wechselspiel als den notwendigen Spannungsbogen, um den Leser bei der Stange zu halten.

Schreiben war immer der Kampf um die Zeit dafür

Die Wohnung, die sie sich zum Schreiben gönnt, ist also auch Schutzraum, in dem sie nur Autorin ist. Denn vor der Tür führt sie das Leben einer Frau jenseits der 70, ist Ehefrau und holt zwei- bis dreimal die Woche ihre Enkelin vom Kindergarten ab. Sie kenne es gar nicht anders, als dass sie ihre Kinder, den Beruf und das Schreiben unter einen Hut bringen musste. Da braucht man ab und zu schon mal eine Tür.