Das Jägerhofpalais ist eines der ältesten Häuser der Stadt. Einst beherbergte es die Jagdgäste des Herzogs und auch die Porzellanmanufaktur. Erst seit dem Jahr 1989 strahlt es wieder in alten Glanz und wurde attraktiv für die Kreativbranche.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Es fällt Gerhard Baumann schwer, sich vorzustellen, was nach der Schorndorfer Straße 42 kommen könnte. Schöner geht’s für ihn eigentlich nicht mehr. Denn hinter der Adresse an der Straße nach Oßweil verbirgt sich ein ganz besonderes Gebäude: das Jägerhofpalais. Es ist eines der ältesten Häuser Ludwigsburgs. Mit der Barockstadt hatte der Gerlinger eigentlich lange nichts am Hut. Die Stadt, wie er sie aus Kindheit und Jugend kannte, war eine trostlose Garnisonsstadt – und für ihn wenig einladend.

 

Das sieht Baumann jetzt anders, nachdem er seit 2006 in Ludwigsburg arbeitet. Doch das Jägerhofpalais nimmt noch einmal eine ganz besondere Stellung ein. Nicht nur, weil es Geschichte atmet und es vorkommen kann, dass eine Gruppe Neugieriger vor der Tür steht und fragt, ob sie mal einen Blick ins Haus werfen dürfe. Und das dann auch darf. Oder weil andere Besucher schon mal zielsicher auf einen Raum deuten und sagen: „Hier bin ich geschieden worden, und dort saß der Richter.“ Denn auch das Amtsgericht war hier mal untergebracht.

Gerhard Baumann hat sich sofort in die Räume verliebt

Nein, für Gerhard Baumann war es einfach Liebe auf den ersten Blick, die ihn mit dem Jägerhofpalais verbindet. „Ich bin reingekommen und habe mich in die Räume verliebt“, sagt der 52-Jährige. Gleichzeitig hat er sich gefragt, wie seine Kunden auf dieses prachtvolle Ambiente reagieren würden. Die Zeiten, in denen es goutiert wurde, dass Menschen aus der Werbebranche mit einem Porsche vorfahren, seien vorbei. Der Kunde fragte sich schnell, ob er das alles mitzahlen müsse.

Trotz aller Bedenken: die Räumlichkeiten mit den hohen Stuckdecken, dieser Mix aus schlichter moderner Eleganz und der Erinnerung an die Vergangenheit, haben gesiegt. Baumann und seine Frau Annette unterschrieben den Mietvertrag. Das ist jetzt sechs Jahre her – doch die Liebe des Werbers ist nicht erloschen. „Dieses Wohlgefühl nutzt sich nicht ab“, sagt er. Für ihn strahlen die Räume eine große Ruhe aus. „Das Haus hat einen guten Geist.“ Eine Wirkung, die in seiner umtriebigen Branche nicht zu unterschätzen ist. „Ich gehe damit um, als sei es mein eigenes Haus“, sagt er, während er durch die vielen Räume, das lichte Treppenhaus, auf den Dachboden und in den Keller führt und sich über zusätzliche Datenleitungen und Abwasserrohre Gedanken macht. Nicht alles lässt sich in ein altes Haus nachträglich einbauen.

Von der runtergekommenen Immobilie zum Schmuckstück

Von der Welt trennen einen hier dicke Mauern, den Verkehr von der Straße schirmen zusätzlich die Magnolienbäume ab. 75 Prozent des Hauses hat Baumann inzwischen von der Wohnbau Ludwigsburg gemietet – und Teile davon untervermietet. In den Jahren 1988/89 hat die Stadt das Gebäude in seinen jetzigen Zustand versetzt. Vorher sah es aus wie eine Ostimmobilie im Niemandsland der DDR. Seither ist es ein Schmuckstück.

Baumann hat mit seinen Mitarbeitern versucht, die wechselvolle Geschichte ihrer Behausung zusammenzutragen. Aber sicher ist nicht mal, wann das Palais gebaut wurde. Wahrscheinlich zwischen 1713 und 1718, es gibt aber auch Historiker, die 1728 als Baujahr annehmen. Fest steht, dass es Herzog Eberhard Ludwig als Unterkunft für seine Jagdgäste gedacht hatte. Deswegen liegt es auch in Nähe des 1711 erbauten Schlosses. Die erste Umnutzung fand noch im gleichen Jahrhundert statt: Um 1754 wurden die Räumlichkeiten zur Ludwigsburger Porzellanmanufaktur umgestaltet. Etwa 1824 zog eine Tuchfabrik ein. Die Epoche der Industrialisierung begann. Die Insassen des Gefängnisses arbeiteten im Jägerhofpalais. Justinus Kerner war Lehrling in der Fabrik. Baumann deutet aus dem Fenster seines Büros im Erdgeschoss. „Hier muss die Gefängnismauer gestanden haben“, erklärt er. 1872 wechselte die Nutzung erneut – die Metall- und Lackwarenfabrik AG Ludwigsburg zog ein.

Die Mieter wechselten je nach Besitzer

Um das Jahr 1900 soll eine erste große Renovierung stattgefunden haben. Vieles liegt noch im Dunkeln oder vielleicht auch nur ungeborgen in den Archiven. Zeitzeugen gibt es allerdings dafür, dass hier in den 60er Jahren die erste Generation der Gastarbeiter untergebracht war. Vor allem waren es wohl griechische Familien. Einer von Baumanns Geschäftspartnern hat hier mit seinen Eltern gewohnt. In den breiten Gängen konnte man gut spielen. Wie es scheint, wurde das Gebäude genutzt, wie es sich gerade ergab und wie es seinen jeweiligen Besitzern in den Kram passte.

Nach der Sanierung durch die Wohnbau Ludwigsburg fand die Kunstschule Labyrinth hier von 1990 bis 1994 Obdach. Es folgten das Amtsgericht und die Sozialstation. Seit 2001 kommen die Mieter hauptsächlich aus der Werbebranche. Baumann hat gerade erst wieder verlängert.

Etappen der Nutzungsgeschichte

Baugeschichte
Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde mit dem Bau des Gebäudes im Jahr 1713 begonnen. Im Hausflur verewigte sich Frisoni mit Stuckdecken. Die beiden Nebengebäude und Flügel folgten wohl 1726 und 1760.

Umbauten Veränderungen gehören zum Wesen des Jägerhofpalais. Es war mal Tuchfabrik, mal Porzellanmanufaktur – oder eine Metall- und Lackwarenfabrik.

Renovierung Nach der Kernsanierung 1988/89 durch die Wohnbau Ludwigsburg entdeckte die Film- und Medienbranche das Gebäude. Die Zeit der Kreativwirtschaft im alten Gemäuer begann. Sie dauert bis heute an.