In der Ludwigsburger Akademie für Darstellende Kunst ist das Festival Manie-Fest über die Bühne gegangen. Die Gastensembles kamen aus Frankfurt, Berlin, München und Stuttgart.

Ludwigsburg - Philoktet spielt in Homers Ilias keine große Rolle. Trotzdem wäre Troja ohne dessen Zutun nicht gefallen. So wollte es ein Fluch des Herakles – und dieser Logik folgt auch die Nacherzählung des Mythos durch den griechischen Tragödiendichter Sophokles. Nicht aber Heiner Müller. Dem deutschen Dramatiker war das versöhnliche Ende des Philoktet-Dramas um Krieg und Kriegsdienstverweigerung, um Vertrauen und Verrat zuwider. In seiner Bearbeitung lenken die Götter kein menschliches Geschick mehr, stattdessen herrschen Hass und Mordlust, Philoktet wird ermordet. Bei Sapier Heller und Tamara Pietsch von der Bayerischen Theaterakademie wurde aus dem Stoff eine Tragödie, die unablässig in die Farce kippt. Im Zentrum steht nicht Philoktet, sondern die Sprache. Weshalb es auch manche Anleihe bei der Popmusik und beim Poetry-Slam gibt. Am Wochenende wurde die Diplom-Inszenierung an der Ludwigsburger Akademie für Darstellende Kunst (ADK) aufgeführt, bei der ersten Auflage des Festivals Manie-Fest.

 

Andere Akzente

Der Beitrag von der Münchener August-Everding-Akademie, der neuen Wirkungsstätte des ehemaligen ADK-Direktors Hans-Jürgen Drescher, markierte so etwas wie den Kontrapunkt. Das aggressive und immer wieder auch verwirrende Spiel verlieh dem von Studierenden organisierten Festival das nötige Gewicht, um zu verhindern, dass sich eines der übrigen, durchaus auch leichteren Stücke im Harmlos-Ungefähren verlor. Und es hat den Gesprächen, zu denen sich Schauspieler, Zuschauer und Studierende zwischen den einzelnen Vorstellungen im Foyer der Akademie trafen, eine Grundfärbung gegeben.

Im Vorfeld hatten die Initiatoren um Sören Hornung, Lea Beie und Jeffrey Döring herausgestellt, dass hier die Jugend neue und andere Akzente setzen wolle. Und dass es ihnen darum gehe, das an vielen Standorten festgefahrene Subventionstheater wieder mit Leben zu füllen, mit Frische und neuen Ideen. Darum auch der Name Manie-Fest, der für Leidenschaft und Programmatik gleichermaßen stehen soll.

Spiel mit Requisiten

Das Manifest im Titel trug zum Beispiel eine Produktion, mit der sich Studierende der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst vorstellten – und damit schon so etwas wie eine bühnenerprobte Einführung in ihren Studiengang Figurentheater ablieferten: nämlich „Vier Manifeste für ein zeitgenössisches Figurentheater“. Zeitgenössisch hieß im Fall der von Julia Jung, Carmen Jung, Robert Buschbacher und Anika Herzberg entwickelten und gespielten Szenen, dass man sehr wohl ohne Puppen auskommen kann – oder eben die Rolle der Puppe von einer leibhaftigen Schauspielerin übernommen wird. Was indes unentbehrlich zu sein schien, waren Requisiten. Zum Beispiel grüne Plastiktonnen, eine Bastmatte für den Strand oder ein unförmiges Kissen. In der Auseinandersetzung mit diesen Objekten kam hin und wieder die Gewissheit darüber abhanden, was nun Subjekt und was Objekt sei. Die künstliche Grenze zwischen Unterhaltung und ernsthafter Rollenprosa hatten die Studierenden gleich gar nicht erst aufkommen lassen; Komik und anspielungsreiches Agieren und Parlieren waren zu gleichen Teilen präsent.

An zwei Abenden wurden sechs Stücke gespielt, aufgeführt von Ensembles aus Berlin, Frankfurt, Stuttgart und München sowie von den Ludwigsburger Gastgebern. Was die Zuschauer auf Trab hielt, denn sie mussten häufig von der Haupt- zur Probebühne und wieder zurück wandern – oder im Foyer haltmachen, um an einem weiteren Gespräch teilzunehmen. Diese Art der direkten Rückmeldung hält Sören Hornung für ein großes Plus der Theaterarbeit: „Anders als im Film bekommt man sofort ein Feedback.“ Das Festival sollte mehr Aufmerksamkeit auf die ADK lenken. Das ist trotz des Minibudgets von 10 000 Euro gelungen. Beim nächsten Mal aber könnte sich das Land großzügiger zeigen.