Die Ludwigsburger Stadtteilbewohner sollen mehr Mitsprache erhalten. Noch aber wird über den richtigen Weg dorthin gestritten.

Ludwigsburg - Die Frage nach einer Neuordnung der Stadtteilausschüsse ist „ein weiches Thema“, wie ein Stadtrat meint. Trotzdem steckt darin so viel Zündstoff, dass eine Entscheidung bereits mehrfach vertagt werden musste. Im Kern geht es allen Beteiligten um mehr Bürgernähe, aber auch mehr Effizienz in politischen Entscheidungsprozessen. Das System müsse modernisiert werden, meint der Grünen-Stadtrat Markus Gericke. Da sich die Stadt aber bisher nicht auf einen gemeinsamen Weg dorthin einigen konnte, wurde die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) angerufen. Die Kölner Gutachter sollen Ludwigsburg die Richtung weisen.

 

Blockade befürchtet

Die größte Schnittmenge zwischen der Haltung in den Gemeinderatsfraktionen und der Verwaltung gibt es, solange es nur um die Einrichtung zusätzlicher Ausschüsse geht: mit einem weiteren in der Oststadt könnten sich alle anfreunden. Doch schon, wenn um Gremien für die West- und die Innenstadt diskutiert wird, gehen die Vorstellungen auseinander: Die Grünen möchten insgesamt drei neue Ausschüsse, was die CDU ablehnt. Im Zentrum lebe eine Stadtgesellschaft, die sich stärker mit der gesamten Kommune identifiziere als etwa im dörflich strukturierten Poppenweiler, sagt der CDU-Sprecher Klaus Herrmann. Verhielten sich diese Menschen aber wie Vorortbewohner, könnte das zu Blockaden führen. Hätte es etwa schon vor dem Arenabau einen Ausschuss Weststadt gegeben, wäre die Multifunktionshalle nicht gebaut worden, meint Herrmann: „Die Anwohner hätten gesagt, das bringt nur viel Verkehr.“

Die SPD hat sich dagegen auch für drei neue Ausschüsse ausgesprochen. „Es ist nicht einzusehen, warum es in Pflugfelden einen Stadtteilausschuss gibt, aber in der Weststadt nicht“, sagt die SPD-Sprecherin Margit Liepins. So weit möchten die Freien Wähler nicht gehen: „Ich bin da eher reserviert“, sagt Reinhardt Weiss. West- und Oststadt ja, aber vom Sinn eines Innenstadtausschusses könne ihn höchstens eine Expertise der KGSt überzeugen. Auch die Verwaltung hält ein eigenes Gremium für die Stadtmitte für unangemessen. Deren Belange seien hinreichend behandelt, da die meisten Entscheidungen im Gemeinderat innenstadtrelevant seien, sagt der Oberbürgermeister Werner Spec.

Runder Tisch

Er sieht Ludwigsburg bereits auf dem Weg zur „Bürgerkommune“. „Warum sollten wir dabei keine Vorreiterrolle spielen?“ fragt Spec. Das Bedürfnis nach mehr bürgerschaftlicher Beteiligung sei gestiegen, dem möchte er Rechnung tragen. Der OB betont aber auch, dass die Mitglieder eines Stadtteilausschusses „keine gewählten Bürgervertreter“ seien; sie seien lediglich Abgesandte der Gemeinderatsfraktionen. Darum müssten die Teilortbewohner unmittelbarer zu Wort kommen können. Spec setzt deshalb auf Bürgerversammlungen, die in der Art von Runden Tischen – wie jüngst beim Thema Sanierung der Eberhardstraße – organisiert werden. Und zwar im Jahresturnus – als Ersatz für eine von zwei Sitzungen der Stadtteilausschüsse. „Dort hätten dann alle Rederecht“, sagt Spec. „Nicht nur die Bürger, sondern auch die Gemeinderäte, die in Sitzungen des Stadtteilausschusses nichts sagen dürfen.“

Margit Liepins findet es „nett vom OB, dass er sich so um uns Stadträte sorgt“. Allerdings teilt sie dessen Befürchtung nicht: „Wenn ich etwas zu sagen habe, kann ich das tun“, sagt sie. Auch die CDU sieht keine Probleme. Klaus Herrmann meint indes: „Bürgerbeteiligung haben wir an anderer Stelle genug. Uns ist es wichtig, dass der Stadtteilausschuss nicht geschwächt wird.“ Viel effektiver sei es, die Einrichtung der „Stadtteilkümmerer“ – Verwaltungsmitarbeiter als Ansprechpartner für bestimmte Teilorte – auszubauen, meint Liepins. „In manchen Ortsteilen funktioniert das gut, in anderen noch nicht.“ Reinhardt Weiss warnt vor mehr Bürokratie, während Markus Gericke auf wesentliche Impulse von der KGSt hofft: „Wir sind zwar schon gut in Sachen Bürgerbeteiligung, aber wir können noch besser werden.“

Der lange Atem fehlt

Kommentar - Die Stadtteilausschüsse dürfen zwar nichts beschließen, aber sie können Sand ins Rathausgetriebe streuen: Siehe zuletzt den Streit um die Hohenecker Schulturnhalle oder die Schule-Supermarkt-Kombination in Neckarweihingen. Haben sie lange und laut genug für eine Sache getrommelt, können Räte und Verwaltung kaum noch gegen den Willen der Teilorte entscheiden. Das mag viele ärgern, aber es gehört nun mal zu den demokratischen Spielregeln, die sich Ludwigsburg auferlegt hat. Jetzt möchten die Stadträte ihre Ohren noch näher an den Sorgen der Innenstadtbewohner haben und zusätzliche Stadtteilausschüsse installieren, während die Verwaltung viel weiter gehen will: alle Bürger sollen zu Wort kommen. Gedacht ist an eine Mitsprache nach dem Muster Runder Tisch. Um dabei nicht in einer Terminflut zu versinken – und weil er sie für nicht ausreichend legitimiert hält – will der OB die Befugnisse der kleinen Ausschüsse beschneiden. Damit aber droht mehr Bürokratie statt mehr Demokratie.

Dass mittels Bürgerversammlungen mehr politischer Wille bis zum Rathaus durchdringt, ist unwahrscheinlich. Selbst wenn die Bürger zu Wort kommen – was nicht immer der Fall ist – ist da niemand, der den langen Atem hat und ihre Probleme bis zur nächsten Ebene durchboxen kann. Bisher erledigen das die Stadtteilausschüsse. Diese Gremien sind effizienter als Runde Tische und sollten daher nicht geschwächt werden. Was wie mehr Beteiligung aussieht, wird nicht zwangsläufig die Stadtteilbewohner stärken. Der Weg zur Bürgerkommune muss anders verlaufen.