Das Ludwigsburger Architekturquartett hat in der Musikhalle über das neue Festo-Hochaus in Esslingen sowie den sanierten Marstall und eine Schulmensa in Ludwigsburg debattiert.

Ludwigsburg - Ein wirklicher Meinungsstreit wollte über die Gebäude nicht aufkommen. Nicht weil die Teilnehmer des Ludwigsburger Architekturquartetts immer einer Meinung gewesen wären. Aber wie François Valentiny in der Musikhalle sagte: bei der Sanierung und Revitalisierung des heruntergekommenen Marstall-Centers in Ludwigsburg durch die Einkaufscenter-Entwicklungsgesellschaft (ECE) könne die Frage nicht sein, ob es sich um ein gutes oder schlechtes Bauwerk handle. „Warum diese Zerstörung?“ fragte der Luxemburger Architekt und bezog sich damit auf den Abriss des historischen Marstalls 1962 und die Errichtung eines Beton-Hochhausgebirges mitten in der Ludwigsburger Altstadt zehn Jahre danach.

 

Jürgen Tietz stimmte zu, wollte die Diskussion über die Shopping Mall aber in die „Niederungen der Architekturkritik“ zurückführen. Solche Situationen gebe es in vielen Städten, meinte der Berliner Journalist. Das bauliche Erbe der Nachkriegszeit „auf dem Schrottplatz der Geschichte zu entsorgen“, komme aber in Ludwigsburg schon deshalb nicht in Frage, weil über der Shopping Mall 200 Eigentumswohnungen thronen. Valentiny regte an, diese einfach höher zu besteuern, da die Bewohner die schöne Aussicht auf die Ludwigsburger Altstadt genießen, während der Anblick von außen weniger erfreulich sei. Der Stuttgarter Architekt HG Merz, der neben dem dominanten, charmanten Luxemburger nicht so recht zum Zug kam, ging auf den Umbau durch das Büro Kaspar Krämer aus Köln ein: Gegenüber der aufgewerteten Eingangssituation des „Marstalls“ fielen die seitlichen und rückwärtigen Fassaden ab.

Er bekomme „Augenkrebs“, schimpfte Merz angesichts der Flut von verschiedenen Schriftzügen, Pferdestatuen und Kronleuchtern aus Steigbügeln, die versuchen, an die Geschichte des Ortes zur erinnern und „eine Authentizität herzustellen, die keine ist“. Das aber ist die Logik der Shopping Mall: Der Branchenprimus ECE richtet sich nicht nach dem Urteil der Architekturkritiker, sondern danach, wie die Kunden mit den Füßen und vor allem mit dem Geld abstimmen, das sie in den Läden liegen lassen.

Ein Hochhaus voller Technik

Als sechzig Meter hoher Turm auf rautenförmigem Grundriss steht das neue „Automation Center“ des Unternehmens Festo in Esslingen hoch auf der Hangkante über dem Neckartal: „Eher ein Fremdkörper“, wie Merz konstatierte. „Darf ein großer Arbeitgeber so laut sein?“, fragte die StZ-Kritikerin Amber Sayah. Valentiny war sich unschlüssig. Er fragte: „Was machen wir mit unseren Landschaften?“ Das vom Büro Jaschek aus Stuttgart geplante Hochhaus steckt voller Technik. So säubert ein Roboter in 24 Stunden die 8500 Quadratmeter Glasfassaden. Beim einheitlichen Hellgrau innen – bis auf ein wenig unternehmenseigenes Blau – sei ihr ein wenig schwummrig geworden, gestand Sayah. Tietz gab an, er würde dort „trotz der grandiosen Aussicht“ nicht gerne arbeiten wollen. Am Ende brach Valentiny dann doch eine Lanze für das Unternehmen, das an diesem Ort groß geworden sei und nun eben auch einen Fußabdruck hinterlasse.

Auch beim dritten Objekt waren sich alle Beteiligten einig, dass die Schulmensa und Turnhalle in Ludwigsburg vom Büro Harris und Kurrle aus Stuttgart für sehr gelungen sei. Der dreiseitig mit hellen Klinkern verkleidete kubische Bau fügt sich hervorragend ins Raster der Altstadt ein. Innen in zwei Blaugrau-Tönen und Eichenholz schlicht und sauber gearbeitet, sei es „einfach ein wunderschönes Haus“, schwärmte Tietz. Ob solch eine Qualität nur bei öffentlichen Bauherrn möglich sei, war dann wiederum strittig. Tietz gab zu bedenken, dass es in Berlin sehr viele schlechte Schulbauten gäbe. „Wenn Kinder solch eine Qualität von Architektur erfahren, entsteht da eine Prägung“, glaubte der Kritiker hoffnungsfroh. Sayah wandte ein: „Und anschließend gehen die Schüler, die da so schön geturnt haben, zum Eisessen ins Marstall-Center.“