Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Alle miteinander wickeln sie nun ihre eigenen Arbeitsplätze ab. „Das ist bitter“, sagt nicht nur Schweizer, der mit seinen fast 40 Jahren in der Manufaktur so etwas wie der Wissensträger ist. An seinem Arbeitstisch pinnen Skizzen für Teller, die er noch bemalen muss oder gerade bearbeitet hat. Langjährige Kunden wissen, dass es höchste Zeit ist, wenn sie auf Schalen und Teller etwa noch eine Widmung einbrennen lassen wollen. Die Maler der Manufaktur haben das Porzellan stets auch individuell nach Kundenwünschen gestaltet und so Unikate geschaffen. Jede Begegnung mit ihren Stammkunden ist nun für Schweizer und seine Kollegin ein kleiner Abschied vom großen Ganzen.

 

Keiner kann sich vorstellen, wie eine Marke, die man nun einschlafen lässt, in ein paar Jahren, falls sich doch ein Käufer findet, wieder zum Leben erwecken ließe. Ähnlich haben sich der Oberbürgermeister Werner Spec und Volker Kugel, Chef des Blühenden Barocks, in ihrer Funktion als Inhaber der Markenrechte geäußert. Vorerst heißt es Abverkauf, auch wenn Rüdlin andeutet, irgendwo werde man die Reste schon einlagern. So ganz gilt also nicht, dass alles rausmuss. Der Insolvenzverwalter hat alle Stammkunden angeschrieben, dass bis zum Jahresende ein Sonderverkauf laufe. Zu reduzierten Preisen.

Das traditionelle Schuppenmuster ist am gefragtesten

Bei diesen letzten Begegnungen geht es freilich nicht nur ums Einkaufen. Aber eben auch. „Manche Kunden kommen mit Listen, was sie zur Ergänzung noch haben wollen“, sagt Walburga von Schierholz. Sie arbeitet im Verkaufsshop und bewahrt in jeder noch so misslichen Situation die Contenance. Auch wenn jemand den Verkaufsraum und den Sonderverkauf mit einer Resterampe verwechselt. Denn das Porzellan wird jetzt zwar zum Sonderpreis angeboten, aber „wir verkaufen kein Polterabendgeschirr“, sagt Stefan Rüdlin.

Schilder mit der Aufschrift „Bitte nicht berühren“ stehen noch immer in den Auslagen. Geduldig nimmt Walburga von Schierholz Stück um Stück in die Hand, wenn Kunden nach dem aktuellen Preis fragen, und zieht dann vom ausgezeichneten Preis noch einmal etwas ab. Artikel, von denen es nur noch wenige gibt, sinken nicht so stark im Preis wie andere. Am meisten gefragt sei das Schuppenmuster, sagt sie. Jeden Stammkunden kennt sie mit Namen, weiß, welches Porzellan bei ihm im Schrank steht. Mancher letzte Besuch endet auch bei ihr mit einer Umarmung.