Tübingens Stadtoberhaupt Boris Palmer stört sich daran, dass es in Umweltzonen keine Beschränkungen für motorisierte Zweiräder gibt – und er fordert, dass gut ausgebaute Radwege für schnelle E-Bikes frei gegeben werden.

Tübingen - Schnelle E-Bikes dürfen auf Radwegen nicht fahren, und gleichzeitig gelten selbst für uralte Mofas, Mopeds und Motorräder in Umweltzonen keinerlei Einschränkungen. Beides soll sich nach dem Willen von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer ändern. Seine Vorschläge fallen in eine Zeit, wo in Tübingen und Reutlingen die Umweltzonen nach dem Willen des Regierungspräsidiums ausgeweitet wurden und in Stuttgart allerlei Vorschläge die Runde machen, wie die Belastung der Umwelt durch den Verkehr verringert werden kann.

 

Das Thema Umweltzone hält Palmer längst für ausgereizt. Es bringe wenig, Jagd auf die allerletzten Wagen ohne grüne Plakette zu machen. In einem Brief an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellt Palmer zwei Forderungen: Eine Option für die Kommunen, Radverkehrswege für schnelle Elektrofahrräder zu öffnen und „die Einbeziehung von Motorisierten Zweirädern in das Reglement zur Luftreinhaltung“.

Ausnahmen auf ausgebauten Wegen wären laut Palmer sinnvoll

Die geltende Rechtslage sieht vor, dass Elektrofahrräder nur bei einer Abregelung des Motors bei 25 km/h die Radwege nutzen dürfen. „Elektrisch unterstützte Fahrräder verlieren in der Stadt einen Großteil ihrer Vorteile, wenn man die Radverkehrsinfrastruktur nicht nutzen darf“, argumentiert Palmer, der selbst statt eines Dienstwagens in Tübingen meist ein schnelles Peledec nutzt. Die Städte haben nur eine Möglichkeit, auf gut ausgebauten Radwegen Ausnahmen auch für die flotten Räder zu schaffen: Das Zusatzschild „Mofas frei“ schließt Elektrofahrräder mit ein. Mofas auf gut ausgebauten Radwegen oder gar in Tunneln wie durch den Tübinger Schlossberg will Palmer nun aber keinesfalls sehen. Die Abgas- und Lärmentwicklung würde von Radfahrern und Fußgängern als sehr störend wahrgenommen, da ist er sich sicher.

Vor einigen Jahren war Palmer mit seinem Vorschlag für ein eigenes Verkehrszeichen für die schnellen E-Biker im Bundesverkehrsministerium auf taube Ohren gestoßen. Nun kann er neue Zahlen ins Feld führen: Bald seien mehr als zwei Millionen elektrifizierte Fahrräder in Deutschland unterwegs, „für die Mobilität in Städten sind Elektrofahrräder noch weitaus wichtiger als Elektroautos“. Zudem hält es Palmer mittlerweile für erwiesen, dass „der tägliche Radius von sportlich normal aktiven Menschen mit Elektrorädern von etwa fünf auf 15 Kilometer erweitert wird“. Und das nicht nur im Flachland.

Umweltbundesamt: Motorräder sind für 20 Prozent der Luftschadstoffe verantwortlich

Im Falle von Zweirädern mit Verbrennungsmotoren kann der Rathauschef nicht nachvollziehen, dass es bisher keine Plakettenordnung und keinerlei Fahrverbote für „noch so alte Mofas, Roller und Motorräder gibt“. Dabei belasteten manche dieser Kleinkrafträder die Umwelt so stark wie hundert Personenwagen. Laut Palmer geht das Umweltbundesamt davon aus, dass „in naher Zukunft 20 Prozent der Luftschadstoffe im Verkehr von Motorrädern stammen werden“. Insofern greife das Argument immer weniger, dass Motorräder und Mopeds nur drei Prozent zu den zurücklegten Kilometern aller motorisierten Verkehrsteilnehmer beitragen und deswegen eine Regulierung wenig bringe. Als Beispiel nennt der passionierte Radfahrer den Besitzer eines Autos mit gelber Plakette und eines alten Kraftrads, der – wenn er nach Tübingen will – geradezu gezwungen sei, das Fahrzeug zu benutzen, dass die Umwelt deutlich mehr belastet.

Für Motorräder über 50 Kubikzentimeter Hubraum gelten seit 1989 Abgasgrenzwerte, die bei der Hauptuntersuchung überprüft werden. Seither wurden und werden die Abgasgrenzwerte für Motorräder verschiedener Klassen verschärft. Viele Motorräder und selbst Motorroller sind serienmäßig – wie fast alle Pkw mit Otto-Motor – mit einem geregelten Katalysator ausgerüstet worden. Wo bei Motorrädern die Schadstoffgrenze für Umweltzonen liegen soll, lässt Palmer offen.