Leben: Susanne Hamann (sur)

Was halten Sie von den Vorschriften?
Na ja, die 100-Milliliter-Vorschrift ist meiner Ansicht nach die wahnwitzigste Regel, die das Luftfahrtwesen je hervorgebracht hat. Man darf zehnmal 100 Milliliter mitnehmen - ist ja auch wieder ein Liter. In den Cremetöpfchen könnten doch auch diverse Chemikalien sein, die im Sprengstoffdetektor als Einzelnes nicht erkannt werden können, die aber im Flieger gemischt eine wunderbare Bombe ergeben. Wenn man im Chemieunterricht ein bisschen aufgepasst hat . . .

Dass US-amerikanische Luftfahrtassistenten keinen Spaß verstehen, ist bekannt. Aber auch in Deutschland sollte man keine Scherze machen und das Wort "Bombe" erwähnen, richtig?
Ja, das ist Hölle. Wenn einer "Bombe" sagt, wird er von oben bis unten kontrolliert. Man kann ihn auch in den Wellnessbereich bitten, das ist die Kabine, wo man sich splitternackt ausziehen muss. Wenn er weiter Witzchen reißt, wird die Bundespolizei geholt, dann gibt es eine Personenkontrolle. Mit Sicherheit verpasst man seinen Flug. Wurde Reisegepäck eingecheckt, muss auch dieses kontrolliert werden. Also wird der Flieger wieder komplett ausgeräumt. Und das kostet richtig Geld: Wenn eine Boeing eine Stunde länger am Flughafen parkt als vorgesehen, werden leicht 1500 Euro fällig. Etwaige Regressansprüche von Mitreisenden noch gar nicht mitgerechnet. Und das zahlt keine Haftpflicht. Der Vorteil einer solchen Festnahme ist, dass in der folgenden Viertelstunde alle Passagiere lammfromm sind.

Anderen Leuten ins Gepäck zu schauen ist doch aber auch bestimmt interessant?

Na ja. Man hat es leider nicht immer mit akkurat gepackten Koffern mit frisch gewaschenen Klamotten zu tun. Da gibt es schon auch viele seltsame oder eklige Sachen. Benutzte Zahnseide, gebrauchte Wäsche, Erotikspielzeug, Leberwurstbrote, Schnupftabak mit getrocknetem Fisch drin. Manche Sachen glaubt einem kein Mensch. Ich habe kürzlich mit einem Kollegen telefoniert, der sagte: Achim, es hat sich nichts geändert. Wir entdecken jeden Tag was Neues.

Haben Sie daher den Job aufgegeben?

Nein, ich habe nicht gekündigt und wurde auch nicht entlassen, mein Vertrag ist einfach ausgelaufen. Das ist normal in der Branche. Die Fluktuation ist groß. Dabei wäre gerade Erfahrung in dem Beruf sehr wichtig, weil ein Luftsicherheitsassistent hoheitliche Aufgaben im Namen der Bundesrepublik Deutschland wahrnimmt und dazu beitragen soll, die Welt ein bisschen sicherer zu machen.

Was können wir alle in Zukunft besser machen, damit Ihre früheren Kollegen es nicht so schwer haben?

Ganz einfach: Anweisungen befolgen. Taschen ausleeren, alles aufs Band. Ohne Murren und Knurren. Dann geht das viel, viel schneller, fluffiger und lockerer.