Fast so eindeutig äußerten sich auch mehrere EU-Finanzminister vor ihrem zweitägigen Treffen, bei dem für den Freitag – schon vor den Enthüllungen – eine Verschärfung der Konzernbesteuerung über eine allgemeine „Antimissbrauchs-Klausel“ auf die Tagesordnung gesetzt worden war. „Solche Praktiken sind nicht mehr tolerabel“, sagte etwa der französische Ressortchef Michel Sapin. „Das wird natürlich Gegenstand der Gespräche sein“, sagte der Österreicher Johann Georg Schelling, der Erklärungen von luxemburgischer Seite einforderte. Sollte sich herausstellen, dass es sich nicht nur um eine legale „Steuergestaltung“, sondern um eine illegale Praxis handele, „hat die EU-Kommission ausreichend Möglichkeiten, entsprechende Sanktionen zu setzen“.

 

Zu den politischen Fragezeichen am Tag der LuxLeaks-Enthüllungen gehört allerdings auch, dass genau diese Ermittlungen der obersten EU-Wettbewerbsbehörde unter Juncker plötzlich dem Vorwurf möglicher Befangenheit ausgesetzt sind. Kommissionssprecher Schinas versuchte diese Bedenken zu zerstreuen: „Margrethe Vestager wird ihren Job machen“, sagte er in Bezug auf die neue Wettbewerbskommissarin aus Dänemark, die im Brüsseler Institutionengefüge schon von Rechts wegen eine besonders unabhängige Stellung innehat. Dennoch hatte es Juncker – kurioserweise bereits am Vortag auf eine Frage eines möglicherweise schon informierten Kollegen antwortend – für nötig befunden klarzustellen, dass er sich „bei diesem Thema nicht einmischen“ werde. Trotzdem forderten einige Europaabgeordnete eine Untersuchung der enthüllten Papiere außerhalb der Europäischen Kommission.Demonstrativ verkündete die EU-Kommission am Donnerstag, dass auch Ermittlungen wegen unfairer Steuerregelungen gegen weitere Mitgliedstaaten aufgenommen worden seien und auch die nun an die Öffentlichkeit gelangten Papiere aus Luxemburg eingehend geprüft würden. Ob es sich dabei auch um jene Dokumente handelt, deren Herausgabe an die Brüsseler Behörde Luxemburgs Regierung teilweise verweigert hatte, ist bislang unklar. Pikanterweise jedoch hatte der gerade ausgeschiedene Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia erst vor wenigen Wochen mitgeteilt, dass die Kooperationsbereitschaft gestiegen sei – nachdem Juncker als Regierungschef abgelöst worden war.

Juncker selbst bleibe „cool“, sagt sein Sprecher

Der Kritisierte wollte sich selbst nicht zu den Vorwürfen äußern. Außer dass Juncker „cool“ bleibe, sagte Kommissionssprecher Schinas nichts zum „alten“ Juncker. Auf alle Fragen zu Junckers Verantwortung als Ministerpräsident verwies er auf die luxemburgische Regierung. Junckers Nachfolger Xavier Bettel freilich wies in einer eilig anberaumten Pressekonferenz auch jede eigene Verantwortung und jegliches Fehlverhalten Luxemburgs weit von sich.

Kann Juncker nach nicht einmal einer Woche im Amt über diese Geschichte stolpern? Das ist zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu sagen. Klar ist, dass sein Start nun gründlich schiefgegangen ist und viele im Europaparlament, das erstmals bei der Wahl des Kommissionschef ein entscheidendes Wort mitgeredet hat, wütend und enttäuscht sind. Der liberale Fraktionschef Guy Verhofstadt, verlangte, dass die EU-Kommission „unverzüglich erklärt, ob diese Praktiken legal waren oder nicht“. Der Grüne Sven Giegold sieht Juncker „beschädigt“, da er sich „zum Komplizen von Steuerdrückern gemacht“ habe. Sein SPD-Kollege Udo Bullmann forderte eine Sonderdebatte darüber, ob Junckers Zusage, „die europäischen Anstrengungen im Kampf gegen Steuerumgehung und Steuerbetrug zu verstärken“, unter diesen Umständen noch gelte.