Der Sonderausschuss des Europaparlaments zur Aufklärung der Luxleaks-Affäre erfährt so gut wie keine Unterstützung. Weder die EU-Finanzminister noch große Konzerne erscheinen zu Anhörungen über die Steuerdumping-Vorwürfe – und das mit lapidaren Begründungen.

Brüssel - Die Aufklärung der sogenannten Luxleaks-Affäre gerät zur Farce: Seit Anfang März versucht ein Sonderausschuss des Europaparlaments, Licht ins Dunkel der großzügigen Steuerpolitik gegenüber Großkonzernen nicht nur im Großherzogtum Luxemburg zu bringen. Zur Halbzeit des bisher auf sechs Monate begrenzten Untersuchungsmandats zeigt sich, dass Enthüllungen oder gar Geständnisse in den verbleibenden Sitzungen dieses „Taxe“ genannten Ausschusses kaum zu erwarten sind. Die wichtigsten Beteiligten – Finanzminister wie Firmenvertreter – weigern sich, überhaupt vor den Abgeordneten zu erscheinen.

 

An diesem Montag um 14 Uhr ist in Brüssel eine Ausschussanhörung angesetzt, „zu der verschiedene multinationale Unternehmen eingeladen worden sind“, wie es auf der Homepage des Europaparlaments heißt. Keines davon jedoch hat die Einladung angenommen, wie aus verschiedenen Antworten an das Parlament hervorgeht, die der Stuttgarter Zeitung vorliegen.

Die Absagen klingen zudem wenig engagiert. So schreibt etwa Google-Chef Eric Schmidt: „Ich war nicht in der Lage, für die Taxe-Anhörung am 1. Juni einen Redner von Google zu organisieren.“ Dafür bittet Schmidt um Entschuldigung und bietet an, die Position des IT-Riesen zu Steuerfragen schriftlich zu übermitteln – nicht eben ein Kreuzverhör.

Amazon wiederum verweist auf die schon länger laufende Untersuchung der EU-Kommission. Europas oberste Wettbewerbsbehörde wertet die besonders günstigen Steuerbescheide der Luxemburger Finanzbehörden für den größten Online-Versandhändler als wettbewerbsverzerrende Staatsbeihilfe. „So lange diese Untersuchung läuft“, heißt es in dem Schreiben von Amazon an das Parlament, „wäre es unangemessen für uns, mit diesem Fall verbundene Angelegenheiten zu diskutieren.“ Für „nicht angemessen“ hält auch Sergio Marchionne eine Aussage, da EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auch gegen ein Luxemburger Tochterunternehmen seines Fiat-Chrysler-Konzerns ermittelt.

Von den 28 EU-Finanzministern haben nur sieben geantwortet

Denselben Grund nennt der Brauereiriese Anheuser-Busch Inbev – allerdings wegen laufender Ermittlungen in Belgien. Die britische Bank HSBC hat Ermittlungen „krimineller und aufsichtsrechtlicher“ Natur an der Backe. Ihr Vorstandschef Alan Keir ist „dankbar für das Verständnis“ des Parlaments, dass er den Termin deshalb nicht wahrnehmen werde können. Ikea-Vorstandschef Peter Agnefjäll lässt dagegen schlicht ausrichten, keine Zeit zu haben „wegen bereits eingegangener Verpflichtungen“. Zudem sei es „in diesem Fall nicht möglich, einen anderen Vertreter von Ikea zu schicken“. Das ist immerhin noch besser als das Gebaren von McDonald’s oder Coca-Cola, die bis Freitag noch gar nicht auf die Einladung für die Anhörung am Montag reagiert hatten.

Der mangelnde Kooperationswille entsetzt den FDP-Europaabgeordneten Michael Theurer: „Die Tatsache, dass kein einziges der eingeladenen Großunternehmen am 1. Juni in den Sonderausschuss kommt, wirft ein schlechtes Licht. Um die Rolle der Mitgliedstaaten und ihrer Steuerverwaltungen zu klären, wäre es erforderlich, dass die Betroffenen endlich auspacken“, fordert der Liberale aus Baden-Württemberg, einer von drei Hauptorganisatoren des Ausschusses: „Haben die Unternehmen nach den Steuersparmodellen gefragt oder sind die Staaten mit den Steuersparmodellen hausieren gegangen? Und was wussten unsere Finanzminister?“

Auch darüber, warum diese den seit 1977 laut EU-Recht möglichen Informationsaustausch kaum genutzt haben, dürfte der Ausschuss wenig erfahren. Von den 28 eingeladenen EU-Finanzministern haben bisher überhaupt nur sieben geantwortet – auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist nicht darunter. Und von den sieben Auskunftswilligen haben nur die Ressortchefs aus Frankreich und Portugal ihre theoretische Bereitschaft bekundet, vor dem Ausschuss aufzutreten – der Rest bietet informelle Gespräche im jeweiligen Heimatland an.

Die Vor-Ort-Besuche des Ausschusses in Luxemburg und Belgien haben sich offenbar jedoch als wenig informativ erwiesen. Am Freitag stand ein Besuch in den Niederlanden an. „Leider will die Luxemburger Regierung weiterhin keine vollständige Veröffentlichung des automatischen Informationsaustausches sowie der Konzernberichterstattung“, sagte der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi nach dem Besuch im Großherzogtum. Die Einsicht in entsprechende Dokumente sowie der Kontakt mit wichtigen Personen sei verweigert worden. „Der Erkenntnisgewinn dieser Informationsfahrten ist gering“, monierte der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. Er fügte hinzu: „Es gab vielleicht doch gute Gründe, einen echten Untersuchungsausschuss zu fordern.“ Dort wären zwar nicht die Unternehmen, aus seiner Sicht aber die Finanzminister als Mitglieder der EU-Institution Ministerrat „zitierfähig“ – also vorzuladen – gewesen.