Nur langsam steigt die Zahl der männlichen Betreuer. Ein Problem könnte die unterschwellige Ablehnung der Eltern sein. Die Träger beschäftigen sich seit geraumer Zeit intensiv mit diesen Ängsten.

Stuttgart - Mehr Männer in Kitas: Das war nicht nur der Slogan eines Modellprojekts, das das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Anfang 2011 bis Ende 2013 in Kitas aufgelegt hat. Es ist auch ein Thema, das die Politik seit Jahren mehr oder minder offensiv diskutiert. Mit mäßigem Erfolg. Ein wesentlicher Grund für die geringe Zahl von Erziehern liegt sicher in der schlechten Bezahlung. Ein anderer könnte aber auch das gesellschaftliche Klima sein.

 

Denn es gibt Vorbehalte gegenüber Männern als Erzieher in Kitas, bestätigen verschiedene Träger von Stuttgarter Kindergärten. Allerdings gibt es weder konkrete Fälle, die derlei Vorbehalte rechtfertigten, noch offen geäußerte Ablehnung von Eltern, oder zumindest selten. Auch die Staatsanwaltschaft kann zu dem unterschwelligen Pädophilievorwurf – denn um den geht es – keine Angaben machen, da „die Berufsgruppen von Beschuldigten nicht statistisch erfasst“ werden, erklärt der Erste Staatsanwalt Jan Holzner. Doch das unausgesprochene Misstrauen wiegt schwer, setzt es Erzieher doch einem Generalverdacht aus. Sowohl bei der Stadtverwaltung als auch bei privaten Trägern hat man die Erfahrung gemacht, dass es besonders im Kleinkindbereich diese Haltung gibt. Aber es bleibt diffus. Gleichwohl versuchen die verschiedenen Träger, sich dem Thema zu stellen.

Wickeln als „aufgebauter Tabubereich“

Beim Jugendamt der Stadt Stuttgart hat Georg Zwingmann zum einen vor sechs Jahren die Fachgruppe „Erzieher in Kitas“ gegründet. Dort können Männer ihre Erfahrungen austauschen. Zum anderen „versuchen wir, bei den Eltern eine Enttabuisierung zu erreichen“. Das geschehe beispielsweise, indem „wir die Eltern ganz offen fragen; dann müssen sie ihre Vorbehalte auch benennen“. Zwingmann hält es für unabdingbar, dass das Thema in den Kitas und mit den Eltern „offensiv“ angegangen wird. „Wir müssen weg von Stereotypen und gesellschaftlichen Wahrnehmungsprozessen“, sagt er.

„Es gibt Vorbehalte“, bestätigt Jörg Schulze-Gronemeyer von der evangelischen Kirchenpflege in Stuttgart. Besonders beim Thema Wickeln bestehe ein „aufgebauter Tabubereich“, dem schwer beizukommen sei. Zwar werde in den Einrichtungen nötigenfalls erklärt, dass „es dazu gehört, dass Kinder auf den Schoß genommen werden“. Doch beim Intimbereich sei es schwieriger. Da werde entsprechenden Wünschen von Eltern auch nachgegeben und ein Kind unter Umständen nicht von einem Mann gewickelt. „Wir wägen in der konkreten Situation ab. Sonst kann es sein, dass Männer Probleme bekommen, mit denen sie nicht mehr umgehen können.“ Und: „Wenn ein Elternpaar mit dem Thema ein Problem hat, kann es damit eine ganze Gruppe sprengen.“

Detalliertes Konzept zum Kinderschutz

Auch Nicole Höfle, die bei der katholischen Kirche in Stuttgart für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, berichtet von „eher unausgesprochenen Vorbehalten“, die bei den Erziehern aber sehr wohl ankommen. Aber offizielle Beschwerden von Eltern habe es „noch nie“ gegeben.

Bei Konzept-e, einem freien Träger, der in Stuttgart rund 20 Kindertageseinrichtungen betreibt, beschäftigt man sich schon seit Jahren „sehr intensiv“ mit dem Thema Männer in Kitas, sagt Marcus Rehn, der Bereichsleiter für Elementarpädagogik. Wobei er bei den Eltern keine entsprechenden Vorbehalte ausgemacht hat. Dennoch hat der Träger ein „relativ detailliertes Konzept zum Kinderschutz“ entwickelt und befasst sich auch in einem Buch mit „Männer(n) in Kindertageseinrichtungen“. „Wir verstehen die Wickelsituation und kommen Wickelwünschen nach“, sagt Rehn. Allerdings nicht, ohne ein „Aber“ anzufügen: „Der Kinderwunsch ist wichtiger als der Elternwunsch.“ Sprich: Wenn ein Kind von einem bestimmten Erzieher gewickelt werden will, ist das wichtiger als etwaige Vorbehalte der Eltern.

Dass es ungeachtet oder gerade wegen diffuser Ängste von Eltern sinnvoll und wichtig ist, in den Kitas mehr Männer zu beschäftigen, ist bei der Politik und den Trägern längst Konsens. Seit Jahren gibt es deshalb Überlegungen und Bemühungen, wie sich dieses Ziel erreichen lässt. Doch die Wirklichkeit hält mit den Wünschen kaum Schritt: Laut dem Familienministerium gab es im Jahr 2015 bundesweit 504 441 Erzieherinnen und 24 878 Erzieher. Dabei hat sich das Verhältnis seit dem eingangs erwähnten Projekt schon etwas verbessert: Zu Beginn des Projekts standen 14 575 Erzieher 404 352 Erzieherinnen gegenüber. In Stuttgart liegt die Männerquote in den kommunalen Einrichtungen laut Heinrich Korn, dem stellvertretenden Jugendamtsleiter, bei etwa sechs Prozent. In absoluten Zahlen: In den 183 städtischen Einrichtungen arbeiten in Teil- und Vollzeit rund 2630 Erzieherinnen und 220 Erzieher. In den 120 evangelischen Einrichtungen in der Stadt zählt Jörg Schulze-Gronemeyer etwa 60 Männer – bei rund 650 Stellen, die sich auf gut 900 Köpfe verteilen. Bei den 65 Kitas in katholischer Trägerschaft gibt es 630 Stellen, die sich 815 Frauen und 25 Männer teilen. Konzept-e zählt in seinen Kitas im Großraum Stuttgart an die 310 Frauen und etwa 80 Männer.

Was die Träger auf einen künftig höheren Männeranteil hoffen lässt, ist die sogenannte Praxisintegrierte Ausbildung (PiA), die es seit wenigen Jahren gibt. Dort liegt der Anteil der Männer nach Auskunft von Heinrich Korn vom Stuttgarter Jugendamt bereits bei fast 17 Prozent. Was mit ein Grund für den vergleichsweise hohen Männeranteil sein könnte: während der Ausbildung verdienen die künftigen Erzieherinnen und Erzieher Geld.