Der Maschinenbau ist – gemessen an der Beschäftigung – die größte deutsche Industriebranche. Neue Technologien und neue Märkte sorgen für neue Wachstumsimpulse. Doch auch die Konkurrenz wird größer.

Stuttgart - Für Thomas Kautzsch ist die Sache klar: „Wer im mittleren Maschinenbausegment nicht präsent ist, bleibt nicht Weltmarktführer.“ Der Schritt müsse aber gut durchdacht sein, betont der Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman und Leiter der Bereiche Auto und Industrielle Fertigung. Die deutsche Vorzeigebranche setzt heute vornehmlich auf hochwertige, komplexe Spezialmaschinen und fertigt dabei im Schulterschluss mit den weltweiten Kunden. Die Herausforderungen werden auch das große, zweitägige Branchentreffen prägen, das vom heutigen Dienstag an in Berlin stattfindet. Da der Maschinenbau in diesem Bereich nur auf relativ wenig Konkurrenz trifft, hatte er bisher kaum Preiskämpfe zu befürchten. Doch die höchsten Wachstumsraten werden künftig nicht mit Spezialmaschinen, sondern im mittleren Maschinenbausegment erzielt. Es sind die aufstrebenden Schwellenländer, die verstärkt als Nachfrager auftreten.

 

In diesem Segment geht es rau zu. Hier treffen die deutschen Anbieter beispielsweise auf chinesische und bald wohl auch auf indische Konkurrenten, welche ihren Teil von dem Wachstumsmarkt abhaben wollen, ist in der jüngsten Maschinenbau-Studie der Commerzbank nachzulesen. Für die einen (die Chinesen) ist es „bottom-up“ – sie kommen von unten und müssen ihre Maschinen verbessern. Für die anderen (die Deutschen) ist es „top-down“, sie müssen ihre Maschinen vereinfachen. „Das wird sich im Preis widerspiegeln“, sagt der Experte von Oliver Wyman voraus. Dass die Chinesen nicht unterschätzt werden sollten, zeigen folgende Zahlen: 1994 stand auf gerade mal 1,5 Prozent der von Deutschland importierten Maschinen als Ursprungsland China. Rund zehn Jahre später hat sich der Anteil bereits auf mehr als sieben Prozent erhöht. Und ihre Bedeutung wird weiter steigen – auch weil sie wohl weiter Mittelständler und damit deutsche Technologie kaufen werden.

Kautzsch spricht denn auch von einer Herausforderung. Er glaubt aber auch, dass die Branche dies meistern wird. „Mercedes ist mit seiner A-Klasse ja auch erfolgreich. Wer hätte sich das früher vorstellen können“, fügt er hinzu. Ein hiesiger Maschinenbauer müsse vor allem die Kosten im Blick behalten. Sparen lasse sich etwa beim Einkauf gewisser Teile im preiswerten Ausland. Auch Entwicklungsarbeiten könnten teilweise von den ausländischen Töchtern erbracht werden. Da geht es aber nicht nur um Wettbewerb, sondern vor allem um Technologien. Es geht etwa um die Industrie 4.0, also die Vernetzung von intelligenten Maschinen, Produkten und Lagersystemen. Auch Big Data, die Verarbeitung riesiger Datenmengen, wird die Branche umtreiben. Zudem wollen hiesige Maschinenbauer mit Service und Wartung – möglichst von der Ferne aus – bei ihren Kunden punkten. Und nicht zuletzt erhofft sich die Branche einen Schub durch die Freihandelsgespräche zum TTIP zwischen der EU und den USA. Denn gerade die USA, die wieder die Industrie für sich entdecken, gelten als interessanter Markt für hiesige Maschinenbauer – auch weil das Autogeschäft dort boomt. Die Aussichten für die Branche sind insgesamt günstig, auch wenn es derzeit laut Kautzsch eine „leichte Delle“ gebe. Nach einer Quasi-Stagnation im vergangenen Jahr hatte die Branche im Jahr 2014 zunächst an Fahrt gewonnen. Doch internationale Krisen – wie in der Ukraine oder die Ebola-Epidemie in Afrika – haben das Geschäft nach dem zweiten Quartal abgebremst. Aufmerksam beobachtet der Maschinenbauexperte Kautzsch das Geschehen in Hongkong – eben weil China so ein wichtiger Absatzmarkt für die Vorzeigebranche ist. Dieses Jahr erwartet der VDMA, der Branchenverband der Maschinenbauer, denn auch nur ein leichtes Produktionsplus von einem Prozent. Mittelfristig werde die Branche voraussichtlich zwischen zwei und vier Prozent jährlich zulegen, meint Kautzsch.

Ihre Hausaufgaben haben die Unternehmen, die von der Krise 2008 und 2009 hart getroffen waren, weitgehend gemacht. Finanziell sind sie wieder gut aufgestellt, die Eigenkapitalquote ist so hoch wie lange nicht mehr; viele haben die Schulden reduziert und Marktanteile hinzugewonnen. „Die Unternehmen sind weniger anfällig als noch vor einigen Jahren“, sagt Kautzsch. Viele Experten warnen aber vor einem allzu sorgenlosen Umgang mit der Zukunft. Als Warnsignale werten sie etwa die zuletzt gesunkenen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Schwierig könnte es gerade für Mittelständler werden, die nötigen Fachkräfte zu rekrutieren.