Bei den Demonstrationen gegen das Finanzsystem setzen sich viele Demonstranten inzwischen eine Maske auf. Was oder wer steckt dahinter?

Stuttgart - Immer wieder diese Maske, immer wieder dieses bleiche Grinsegesicht mit den roten Bäckchen und dem schwarzen Schnurr- und Kinnbart! Bei fast allen Demonstrationen gegen Banken, Politik und Globalisierung ist diese expressive Maske dabei, und jetzt, beim Protest am vergangenen Samstag, schließlich in so großer Zahl, dass man sie nicht mehr ignorieren kann. Aber was steckt dahinter? Nun, es ist das Gesicht von Guy Fawkes, dem einzigen Mann, so der britische Volksmund, "der das Parlament jemals mit ehrenhaften Absichten betrat".

 

Am 5. November 1605 war das, und bei seinem Versuch, dieses Parlament in die Luft zu jagen, wurde Guy Fawkes verhaftet, dann gefoltert, schließlich exekutiert. Guy Fawkes und seine Mitverschwörer wollten England in den Katholizismus zurücksprengen, aber dieses eher reaktionäre Ziel hat sich schon lange von der beabsichtigten Tat gelöst. Wenn in England am 5. November jedes Jahres Guy-Fawkes-Puppen verbrannt werden, dann ist längst nicht mehr klar, ob da der Tod eines Aufrührers gefeiert wird oder nicht doch dieser Aufrührer selbst.

Bekannt aus "V wie Vendetta"

Als der Comicautor Alan Moore in den Achtzigern unter dem Eindruck der repressiven Thatcher-Regierung an einer düster-utopischen Geschichte über ein faschistisches England arbeitete, aber noch nicht wusste, wie sein gegen das Regime kämpfender Held aussehen sollte, hatte sein Zeichner David Lloyd die zündende Idee: "Wieso zeigen wir ihn nicht als einen wiedererweckten Guy Fawkes, mit einer dieser Pappmaché-Masken...? Er würde bizarr aussehen und er würde Guy Fawkes das Image geben, das er über all diese Jahre verdient hat. Wir sollten den Kerl nicht an jedem 5. November verbrennen, sondern seinen Versuch, das Parlament in die Luft zu sprengen, feiern."

"V wie Vendetta" heißt dieser Comic, aber die in ihm präsentierte Maske wird erst durch die Verfilmung 2006 massenhaft bekannt. Wenn etwa die im Internet agierende "Anonymous"-Gruppe in der Realwelt demonstriert, zum Beispiel gegen die Scientology-Kirche, dann sieht man einen Guy Fawkes neben dem andern, und wie immer, wenn Masken außerhalb von Bühne oder Karneval auftauchen, wirkt das recht unheimlich. Im Film marschieren am Ende Tausende Demonstranten auf das Parlament zu, alle mit Guy-Fawkes-Gesichtern. Ob sich die globale Protestbewegung auch auf dieses Gesicht einigen wird? Aber so mächtig die Symbolwirkung auch wäre, sie würde genau das einengen und vielleicht zerstören, was diesen Protest eben auch ausmacht: seine so unterschiedlichen Strömungen und seine individuelle Vielfalt.