Wenn immer mehr Studierenden Mathekenntnisse aus der Mittelstufe fehlen, sollte schon in der Schule nachgebessert werden, nicht erst im Studium, findet Redakteurin Inge Jacobs.

Stuttgart - Um wie viel Prozent ändert sich der Flächeninhalt eines rechtwinkligen Dreiecks, wenn man eine Kathete um 20 Prozent verkürzt und die andere um 20 Prozent verlängert? Na, hätten Sie’s gewusst? Denken Sie doch mal scharf nach. Diese Aufgabe ist Stoff der Mittelstufe und gehört zu den Mindestanforderungen für Studierende in Mint-Fächern. Diese hier auch: Eine Gurke besteht zu 90 Prozent aus Wasser und wiegt 500 Gramm. Nach einigen Tagen in der Küche ist ein Teil des Wassers verdunstet, und die Gurke besteht nur noch zu 80 Prozent aus Wasser. Wie schwer ist sie dann?

 

Von 72 Erstsemestern im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen konnten nur sechs Klausurprüflinge die erste Aufgabe vollständig richtig lösen, die Prozentrechenaufgabe mit der Gurke schafften von 87 Prüflingen nur fünf. Die Klausur fand zwar an einer Frankfurter Hochschule statt, doch die Stuttgarter Hochschulen kämpfen mit ähnlichen Problemen. Und sie versuchen, mit Brückenkursen und Tutorien, Mathecafé und Studieninfos dagegenzuhalten. Das ist löblich, auch wenn es eher der Not geschuldet ist. Eigentlich kommen diese Maßnahmen zu spät.

Schon in der Grundschule wird zu wenig vertieft, geübt, wiederholt

Wirkungsvoller wäre es, die Ursachen genauer anzuschauen und dort anzusetzen. Wenn die Studierenden also an Mittelstufenmathe scheitern, spricht viel dafür, dass die Lücken dort entstanden sind, oder sogar noch früher – womöglich bereits in der Grundschule. Das belegt jedenfalls die aktuelle Tims-Studie. Wenn Mathelehrer beklagen, dass wichtige Grundlageninhalte aus den Lehrplänen genommen wurden, Bruchrechnen und Geometrie zu kurz kommen und insgesamt zu wenig vertieft, geübt, wiederholt und aufeinander aufgebaut wird, sollte dies ernstgenommen werden. Auch von der Bildungspolitik. Früh übt sich. Weder Stuttgart noch andere Hochschulstandorte können sich scheiternde Studierende leisten.