Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)
In der Vergangenheit hatte die katholische Kirche öfter wegen spöttischer Veröffentlichungen protestiert.
Insgesamt gehen wir mit solchen Vorfällen heute gelassener um. Dabei spielt die Erkenntnis eine Rolle, dass das Gegenüber durch unseren Protest nur aufgewertet und bekannter wird. Vielleicht ist auch ein wenig Frust dabei. Allerdings wehre ich mich dagegen, dass wir resignieren. Die katholische Kirche in Frankreich hatte vergeblich gegen „ Charlie Hebdo“ prozessiert. Ich selbst habe auch einmal Strafanzeige gestellt gegen das Buch von Schmidt-Salomon ‚Wo bitte geht’s zum lieben Gott, fragte das kleine Ferkel’. Auch das führte nicht zum Erfolg. Von solchen Rückschlägen lasse ich mich aber nicht entmutigen. Wir müssen es uns als Christen nicht gefallen lassen, wenn das, was uns heilig ist, in den Dreck gezogen wird. Wir müssen die Rechtsmittel ausschöpfen, auch wenn wir zehnmal verlieren.
Sie könnten auch schärfere Gesetze fordern.
Nein. Das wäre meines Erachtens die falsche Reaktion auf die islamistischen Anschläge. So mächtig sind die Extremisten nicht, dass sie bei uns die Gesetzgebung in Gang setzen. Bei allen Problemen des sogenannten Blasphemieparagrafen, die ich sehe, reicht er aus. Gerichte können hier Anhaltspunkte finden, auch mal ein Urteil zu sprechen.
Der Paragraf macht aber die Störung des öffentlichen Friedens zum Maßstab für einen Verstoß und ermutigt so quasi Aufrührer.
Das ist selbstverständlich problematisch. Nach dieser Logik müsste derjenige, der vor Gericht etwas erreichen will, Unruhe stiften. Allerdings habe ich auch keine bessere Lösung. Der Vorschlag der FDP, den Paragrafen zu streichen, geht jedenfalls in die Irre. Dann würden wir solche Grenzüberschreitungen banalisieren. Wir leben auch ein stückweit von Dimensionen in unserer Gesellschaft, die unverfügbar und unverletzlich sind.
Der Papst hat gerade die Beleidigung der Religion mit der Beleidigung der eigenen Mutter verglichen, auf die man mit einem Kinnhaken antworte. Ein zu starkes Wort?
Ich glaube, diese Ausdrucksweise sieht man Franziskus nach, weil er ein so friedfertiger, den Menschen zugewandter Mensch ist. Ich würde das nicht so formulieren.
Müssen die religiösen Tabu-Zonen im Blick auf Satire wegen der religiösen Vielfalt in unserem Land wachsen?
Wir brauchen jedenfalls eine gesellschaftliche Debatte, um die Grenzen neu zu definieren.
Der Glaube steht momentan oft mit Gewalt in Verbindung. Wäre unsere Welt ohne Religionen friedfertiger?
Die Abwesenheit der Religion im 20. Jahrhundert hat uns die größten Menschheitskatastrophen gebracht. Adolf Hitler hat sich selbst zum Messias stilisiert und monströse Taten vollbracht. Auch der glaubenslose Stalin hat viele ins Unglück gestürzt. Traurig war nur, dass damals nicht genügend Menschen so religiös waren, dass sie der Tyrannei widerstehen konnten. Sicher gibt es auch eine Gewaltgeschichte der Religionen. Sie werden schließlich von Menschen gelebt und gestaltet, zu deren Wesen auch Aggressionen gehören.