Sollten neue Antibiotika gefunden werden, sollten sie vorzugsweise in Reserve gehalten und möglichst selten eingesetzt werden. Doch seit einigen Monaten will das Forschungsprogramm „New drugs 4 bad bugs“ einen neuen Weg weisen. In diesem Programm geben sich Forschergruppen und Pharmafirmen gegenseitig Einblick in ihre gescheiterten Antibiotika-Projekte der jüngsten Vergangenheit, damit gemeinsam überlegt werden kann, wie man das Resistenzproblem lösen könnte. Für das EU-geförderte Projekt stehen für die kommenden sieben Jahre 220 Millionen Euro bereit. „Ein so weitreichendes Teilen des Knowhow über Firmengrenzen hinweg hat es in unserer Branche bisher noch nicht gegeben“, sagt Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (VfA) – fünf Mitgliedsunternehmen des Verbandes beteili- gen sich an dem Projekt. Der VfA rechnet in den kommenden fünf Jahren mit der Zulassung von bis zu neun Breitbandantibiotika und mehreren Tuberkulosemitteln. Die meisten Mittel basieren auf Wirkmechanismen, die schon seit gut 50 Jahren bekannt sind. Nahezu alle Antibiotika, die zwischen 1960 und 2000 zugelassen wurden, sind Abwandlungen bekannter Substanzen, wie vor einigen Jahren in der Fachzeitschrift „Science“ berichtet wurde.

 

Antibiotika töten üblicherweise Bakterien ab, das nennt man bakterizide Wirkung. Meist wird dabei die Zellwand des Erregers aufgelöst. Inzwischen haben sich jedoch Bakterienstämme gebildet, die sich mit dickeren Wänden schützen, so dass das Antibiotikum nicht mehr wirken kann. Ein anderer Ansatz ist die sogenannte bakteriostatische Wirkung: Hierbei überleben die Bakterien, sie werden aber an ihrer Vermehrung gehindert. Allerdings muss man dabei im Stoffwechsel der Bakterien Strukturen finden, die eine menschliche Zelle nicht hat, so dass nur der Erreger angegriffen wird und nicht der Körper.

Angriffspunkte sind dabei etwa die bakteriellen Ribosomen, die sich von den menschlichen unterscheiden. Ribosomen sind lebensnotwendige Eiweißfabriken aller Organismen, die jedoch bei Bakterien anders aufgebaut sind. Außerdem wird das bakterielle Erbgut anders an die Nachkommen weitergegeben als beim Menschen – auch dies ist ein Angriffspunkt für chemische Substanzen. Ein dritter Unterschied ist, dass Bakterien Folsäure bilden, der Mensch Folsäure hingegen mit der Nahrung aufnehmen muss. Auch dies ist ein Ansatz für die Entwicklung der Medikamente. Doch gegen alle diese Eingriffe in den Stoffwechsel können sich die Bakterien wehren: Sie produzieren Substanzen, welche die Medikamente unwirksam machen, oder pumpen das Antibiotikum einfach wieder nach draußen.

Doch ebenso wichtig wie die Suche nach neuen Stoffen bleibe der verantwortungsvolle Umgang mit den vorhandenen Präparaten, sagt Birgit Fischer. Nur wo es sinnvoll sei, sollten antibiotische Mittel verordnet werden. Dann jedoch sollten Patienten sie über die volle Anwendungszeit einnehmen – damit nicht noch mehr Resistenzen entstünden. „Die Medizin muss den Erregern weiterhin die entscheidenden Schritte voraus bleiben, und kein Pharmaforscher der Welt kann neuartige Antibiotika einfach aus dem Hut zaubern.“