Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)
Rund 500 Hausarztpraxen werden in den kommenden Jahren nicht besetzt werden können, schätzt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Norbert Metke. Dem entgegen zu wirken sei die Aufgabe vieler Beteiligter.
Herr Metke, warum gibt es ein Problem bei der Besetzung von Hausarztpraxen generell und besonders im ländlichen Raum?
Es gibt einen Trend bei den jungen Medizinern, sich eher in eine Facharztrichtung zu orientieren, als in die Allgemeinmedizin. Grundsätzlich haben wir aber Probleme sowohl bei den Haus- wie auch den Fachärzten. Derzeit könnten sich in Baden-Württemberg 289 Haus- und 136 Fachärzte zusätzlich niederlassen. Die jungen Mediziner, wie Akademiker insgesamt, wollen heute tendenziell im städtischen Umfeld mit seinem kulturellen Angebot und den Einkaufsmöglichkeiten wohnen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass sich die Rahmenbedingungen für die Ärzte, die freiberuflich tätig sein wollen, in den letzten Jahren suboptimal entwickelt haben. Ich nenne hier nur Bürokratie und wirtschaftliches Risiko. Wenn sich hierbei nichts Grundlegendes ändert, wird sich die Versorgung mittelfristig anders darstellen.
Wie groß ist das Defizit, in welchen Regionen im Land wird besonders gesucht, wo sind die Engpässe in der medizinischen Versorgung des Rems-Murr-Kreises?
Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Jahren etwa 500 Hausarztpraxen nicht werden nachbesetzen können. Wo die größte Lücke entstehen wird, wissen wir noch nicht genau, da die Ärzte keine gesetzliche Altersgrenze für die Berufsausübung haben. Im Rems-Murr-Kreis haben wir heute noch eine gute Versorgung, in Schorndorf und Umgebung dürften wir derzeit gar keinen zusätzlichen Hausarzt niederlassen. Der Altersdurchschnitt der Hausärzte ist auch etwas niedriger als im Durchschnitt des Landes.
Was tut die KV, um der Entwicklung entgegen zu wirken?
Die richtige Frage wäre zunächst einmal, wie wichtig Politik und Gesellschaft der freiberufliche Arzt ist, den wir dringend benötigen. Zudem gibt es viele Beteiligte, die hier tätig werden müssen, wir sind hier nur ein Teil davon. Was wir aber tun können, das machen wir auch. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Wir haben eine umfassende Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes durchgeführt, mit der die Dienstbelastung vor allem im ländlichen Raum deutlich gesenkt wird. Damit beseitigen wir eine wichtige Hürde für die Niederlassung. Wir werben an den Hochschulen, fördern die Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin und haben das Projekt „Regiopraxisbw“ aufgesetzt, das hausärztlich orientierte Ärztezentren im ländlichen Raum unterstützt.
Was kann eine Kommune tun, um eine Hausarztansiedlung attraktiv zu machen?
Wir halten es für essenziell, dass die Gemeinden den Arzt vor Ort ebenso als Standortfaktor begreifen wie den Handwerksbetrieb und daher auch in gleichem Maße Standortförderung betreiben. Gleichermaßen muss sie attraktiv für junge Familien sein: Schulangebot, Kinderbetreuung, Arbeitsplätze in der Umgebung.