Das Bau des Windrads in Ingersheim ist beendet, die Debatte nicht. Anwohner klagen über den Lärm des Riesen-Rotors. Die Meinung vor Ort ist gespalten.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ingersheim - Der Husarenhof ist eine beschauliche Wohnsiedlung zwischen Ingersheim und Besigheim. Ein paar Häuser und Höfe, man kennt sich. Und man ist vorsichtig geworden. Zu diesem Thema wolle sie sich lieber nicht äußern, sagt eine ältere Frau, die gerade ihren Mittagsspaziergang auf einem Weg am Ortsrand macht. Sie habe eine Meinung, das schon. „Aber wenn ich die jetzt sage, gibt es nur wieder Probleme. Lieber nicht.“

 

Denn der Husarenhof ist auch so etwas wie die Keimzelle des Widerstands gegen das Windrad auf der Ingersheimer Höhe. Mehr als zehn Jahre haben die Bürger gekämpft, sich zur Initiative Gegenwind Husarenhof zusammengeschlossen, vor Gericht geklagt, protestiert. Es hat nichts genutzt. Das Rad steht rund 600 Meter vor der Siedlung und rotiert.

Doch die Debatte geht weiter, denn der Protest hat Spuren hinterlassen. Wer sich als Befürworter outet, kann Streit mit dem Nachbarn bekommen. Aber auch Mitglieder der Bürgerinitiative wurden schon beschimpft, als Hinterwäldler, Atomkraftfreunde oder Wutbürger.

Eine Bürgerinitiative kämpft seit Jahren gegen das Projekt

„Im Husarenhof“, schätzt Peter Hitzker, „stehen 90 Prozent der Leute hinter uns.“ Hitzker ist der Vorsitzende der Initiative und wirkt nicht wie ein Wutbürger. Er ist freundlich, lacht viel. Ein Freund der Atomkraft sei er nicht, und auch kein Gegner der Windkraft. „In Norddeutschland macht das vielleicht Sinn, aber das hier ist ein Ballungsraum.“ Die Anlage stehe am falschen Platz, zu nah an den Häusern, und der Probebetrieb habe seine Befürchtungen voll bestätigt. Der Rotor sei laut. Tagsüber höre man das nicht so, aber abends sei da jetzt dieses monotone Brummen. „Wie, wenn sich von ganz weit weg ein Flugzeug nähert.“

Walter Müller, der Sprecher der Initiative, hat sich bei einigen Mitgliedern umgehört. „Es gibt mehrere, die sich über das Geräusch beklagen“, berichtet er. Dazu komme die optische Beeinträchtigung. Das Ingersheimer Windrad ist 180 Meter hoch, es passe einfach „nicht in die Landschaft“, sagt Müller. Der Schatten, den der Rotor werfe, könne ebenfalls zum Problem für die Anwohner werden. Rund 100 Mitglieder hat Gegenwind Husarenhof,  Müller geht davon aus, dass es bald noch mehr werden. Die Initiative plant, Transparente entlang der Straße aufzuhängen, um die Öffentlichkeit aufzurütteln. Schließlich will die Landesregierung, dass in Baden-Württemberg noch viel mehr Windräder wachsen. Zur offiziellen Inbetriebnahme kam vor einer Woche reichlich Prominenz nach Ingersheim. Noch sei eine solche Einweihung etwas Besonderes, sagte der grüne Umweltminister Franz Untersteller. Doch schon bald solle der Bau von Windkraftanlagen zu einer Selbstverständlichkeit werden.

Die Meinung vor Ort ist gespalten

Längst nicht alle in Besigheim, Ingersheim und Umgebung finden das schlecht. Das zeigt eine – natürlich nicht repräsentative – Umfrage auf den Straßen in Großingersheim. Der Ortsteil liegt weiter vom Windrad entfernt als der Husarenhof, und die Zahl der Befürworter ist ganz offensichtlich höher. „Irgendwoher muss der Strom kommen“, sagt Anneliese Alberts, 63. Kernkraft sei zu gefährlich, also brauche es Alternativen. Sie verstehe die Kritiker nicht. Das Ingersheimer Windrad sei nicht einmal hässlich. Noch weiter geht Klaus Stark. „Das kann ein Wahrzeichen werden“, sagt der 34-Jährige. „Ich finde es gut, dass Ingersheim eine Vorreiterrolle einnimmt.“ Zumal er kürzlich direkt unter dem kreisenden Rotor gestanden habe, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen. „Es summt ein bisschen, wie ein Segelflieger.“ Er habe das nicht als laut empfunden. Es gebe eben Menschen, die erst einmal alles, was neu ist, skeptisch sehen. So sieht das auch Nadine Leibold. „Es ist wohl eher die ältere Generation, die dieser Sache noch nicht so traut“, sagt die 30-Jährige. „Da sterben in Japan Menschen nach einem Atomunfall, und hier regen sich die Leute auf, dass Windräder ein wenig Lärm machen – da stimmt doch was nicht.“

Aber auch in Großingersheim gibt es kritische Stimmen – wie die von Margit Kofink. „Es ist doch gaga, hier in Baden-Württemberg einzelne Windräder zu bauen, das bringt doch gar nichts“, sagt die 60-Jährige. Sie sei der Gegenwind-Initiative beigetreten, denn es sei schlimm, dass den Leuten im Husarenhof die Anlage „einfach vor die Nase gestellt wurde“. Kürzlich sei sie dort spazieren gewesen, und ja, sie habe den Rotor deutlich gehört. Auch optisch sei der Turm eine Zumutung. „Ich bin hier aufgewachsen, und dann hat man ein Panorama im Kopf.“ Ein Bild von der Heimat, das sich durch das Windrad stark verändert habe.

Die Betreiber sehen optimistisch in die Zukunft

Derzeit ist es ruhig auf der Höhe, und zwar im wörtlichen Sinn. Der Probebetrieb wurde unterbrochen, weil die Stahlseile des Turms noch mit Beton ummantelt werden müssen. Ist das geschehen, wird zunächst der Test fortgesetzt. In zwei bis drei Wochen soll dann der reguläre Betrieb beginnen.

Die ersten Erfahrungen seien „überaus positiv“, sagt Dieter Hallmann, der Vorsitzende der Energiegenossenschaft, die das 3,6 Millionen Euro teure Projekt gestemmt hat. Die Anlage habe im Testbetrieb bereits 60 000 Kilowattstunden Strom produziert, also fast den Jahresbedarf von 30 Zweipersonenhaushalten. „Wir sehen sehr optimistisch in die Zukunft.“ Auch zur Lärmproblematik äußert sich Hallmann: „Der Rotor wird in der Testphase künstlich gebremst, und daher kann es sein, dass er etwas lauter ist als im Regelbetrieb.“ Aber auch diese möglicherweise etwas höheren Lärmemissionen lägen innerhalb der Grenzwerte. „Jedes vorbeifahrende Auto ist mit Sicherheit um ein Vielfaches lauter.“

Für eine abschließende Beurteilung sei es noch zu früh, sagt auch Walter Müller, der Sprecher der Bürgerinitiative. „Wir werden das weiter sehr genau beobachten.“