Hans-Werner Carlhoff hat bei den Olympischen Spielen 1972 in München Sportler und wichtige Gäste betreut.

Birkach - Wer kann schon von sich behaupten, dass er 1972 als Kollege von Silvia Sommerlath, der späteren Königin von Schweden, zum engsten Organisationsstab der 20. Olympischen Sommerspiele in München gehörte? Ein Birkacher kann es: Hans-Werner Carlhoff, damals 24 Jahre alt. „Ich wollte als Politikstudent etwas Geld verdienen und habe 1971 aushilfsweise in der Grafik-Abteilung von Otl Aicher gearbeitet, der das Maskottchen, den Olympia-Waldi, erfunden hat“, erzählt Carlhoff. Bald schon gehörte er zum vierköpfigen Verbindungsbüro der Bundeswehr unter der Leitung von Oberst Friedrich von Stülpnagel, der selbst 1936 Bronzemedaillengewinner im Hürdenlauf war.

 

Der 64-Jährige engagiert sich heute im Ehrenamt als Parlamentarier für den Sport im Regionalparlament. Im Hauptberuf ist er Landessekten-Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung.

1972 war Carlhoffs Arbeitsplatz zunächst in einer Baracke gegenüber der Zentrale des Organisationskomitees (OK) an der Saarstraße in München. Dort erhielt er den Auftrag, die „Aktion Wiedersehen“ von 144 westdeutschen Olympia-Siegern zu organisieren. Offenbar war auch Willi Daume, der damalige Chef des Deutschen Olympischen Komitees, mit seiner Arbeit zufrieden. Denn kurz darauf bekam Carlhoff den Auftrag, ein Treffen mit 15 namhaften internationalen Olympia-Sieger zu organisieren. Nach dem Umzug in die OK-Zentrale lag sein Büro nur zwei Zimmer neben jenem von Silvia Sommerlath. Mit dem Ortswechsel verbunden waren auch Kontakte zu den von ihm betreuten Olympia-Siegern, zum Beispiel den vierfachen Goldmedaillengewinner Fanny Blankers-Koen (Niederlande), Jesse Owens (USA), Emil Zatopek (CSSR), den Doppel-Marathon-Olympia-Sieger Bikila Abebe (Äthiopien) oder die achtfache Turn-Olympiasiegerin Vera Caslavska (CSSR). Carlhoffs Aufzählung klingt wie das Who is Who des damaligen Spitzensports.

Überall mit dabei

Seine Zugangsberechtigung für das olympische Dorf und die Sportstätten sowie die offizielle Kleidung – ein Jackett, zwei Hosen, vier Oberhemden, zwei Krawatten, Socken und ein noch nie benutzter Regenumhang – besitzt der Birkacher heute noch. Lediglich das Sakko ist inzwischen etwas eng geworden. Der Rest passt Hans-Werner Carlhoff noch immer.

Selbst der US-Astronaut James A. Lovell, der mit den Apollo-Raumkapseln 8 und 13 zweimal auf Weltraummission war, gehörte zu seinen Gästen. Seine Tätigkeit betraf alle Bereiche: Unterbringung der Gäste im olympischen Dorf und Hotel, Kulturprogramm, Ausfahrten in die Umgebung, Hubschrauberflüge zu den weiteren Olympiastätten nach Augsburg und Kiel, Empfänge und Begleitung zu den einzelnen Sportveranstaltungen. „Mit Emil Zatopek entwickelte sich sogar durch die vielen Kontakte eine Art Freundschaft. Die Beschattung von Vera Caslavska durch tschechische Geheimdienstagenten spürte ich hautnah“, sagt Carlhoff. Caslavska hatte als berühmte Sportlerin eine tragende Rolle im sogenannten Prager Frühling gespielt und durfte deshalb ihre Familie nicht mit nach München bringen.

Fünf Mark von der zukünftigen Königin

Auch musste er sich um Leni Riefenstahl kümmern, die unter anderem für die NS-Filme anlässlich der Olympischen Spiele 1936 in Berlin und Garmisch-Partenkirchen verantwortlich war und 1972 auf die Ehrengastliste des OK wollte. Eine andere Episode ist dagegen bis heute wohl nur wenigen Zeitzeugen bekannt. Silvia Sommerlath fehlte bei einer der täglichen Morgenbesprechungen. Die Heidelbergerin betreute an diesem Tag den späteren schwedischen König Carl Gustaf XVI. „Silvia hatte Carl Gustaf zum Münchener Fernsehturm begleitet. Der König bekam Lust auf Würstchen, hatte aber kein Geld dabei. Silvia lieh ihm fünf Mark – und war danach nie mehr bei den Besprechungen zu sehen“, erzählt Carlhoff schmunzelnd. Der Rest der Geschichte ist bekannt.

Zu den Olympischen Spielen in München gehört auch das Attentat auf die israelische Nationalmannschaft im Olympischen Dorf. Es starben neun Sportler, fünf palästinensischen Attentäter und ein Polizist. Carlhoff war an diesem Tag mit Sportlern auf dem Rückweg vom Königssee. „Die Olympischen Spiele waren von da an wie mit einem Grauschleier überzogen. Die Fröhlichkeit war weg. Aber alle waren sich darin einig, dass die Spiele fortgesetzt werden sollen. Kein einziger wollte das vorzeitige Ende. Es wäre sonst ein Sieg des Terrorismus gewesen“, sagt Carlhoff, den dieses Ereignis noch heute bewegt.

Wie er die jetzigen Sommerspiele in London erlebt? „Ich schaue mir so viel wie möglich im Fernsehen an und schwelge in Erinnerungen von damals. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Spiele 1972 hautnah erleben durfte.“