Marktflecken heißt, dass ein Ort Märkte ausrichten darf. Das war in Metzingen früh der Fall mit einem Wochenmarkt. Nach 1800 schritt die Industrialisierung voran. „Am Ermskanal entstanden erste kleine Fabriken“, sagt Bidlingmaier. Wasser war Voraussetzung für das Textilgewerbe. In kleinen Betrieben mit wenigen geschulten Mitarbeitern behielt oft einer die Oberhand und zahlte andere aus. Die späteren Fabrikantenfamilien wurzeln also in Handwerkerkreisen. Dem wirtschaftlichen Aufschwung stand der Status des Ortes entgegen. Die Stadtväter argumentierten bei ihrem Antrag auf Stadtrechte im Jahr 1831 damit, dass „in der Entfernung von einem Orte in der Regel die unrichtige Meinung bestehet, dass Einwohner eines Dorfes nicht in der Lage seyen, ihre Gewerbe über den gewöhnlichen Betrieb zu erheben wie in einer Stadt“. Von bedeutenden Nachteilen hinsichtlich des „Kredits und Verkehrs“ war ebenfalls die Rede. Die Argumentation überzeugte. Am 21. September 1831 verlieh König Wilhelm I. Metzingen per Dekret das Stadtrecht, das lässt sich in der Chronik ausführlich nachlesen. Der industrielle Erfolg ließ nicht auf sich warten. Bis dahin lebten viele Metzinger von der Landwirtschaft, und andere vom Weinbau. Auf dem Kelternplatz standen vor dem Dreißigjährigen Krieg neun Keltern, heute sind es noch sieben. „Stadt der sieben Keltern“, damit warb Metzingen über Jahre. Ihre eigentliche Funktion verloren die großen Gebäude mit ihren tief herunter gezogenen Dächern, als 1928 eine hydraulische Presse das Keltern übernahm. Heute beherbergt eines der Häuser immerhin eine Vinothek. Und es freut den Stadtarchivar, dass jeder Bahnreisende auf dem Weg vom Bahnhof zur Outletcity den Kelterplatz quert. Angesichts der heutigen Qualität der Weine nickt Rolf Bidlingmaier anerkennend. Zwar erinnert er sich auch an manchen „Simsenkrebsler“, der den Weintrinkern noch vor zwei, drei Jahrzehnten sauer aufgestoßen sein mag. Das habe sich geändert: Wenn am Kaiserstuhl die Nächte bereits zu warm blieben, sei das am Rand der kühlen Alb noch lange nicht der Fall. „Der Klimawandel tut uns gut“, sagt Bidlingsmaier.

 

Wie vielerorts ging es auch mit den Metzinger Textilfabriken bergab, die meisten endeten mit der Insolvenz. Die Ausnahme hat weltweit einen guten Namen – Hugo Boss. Er war der Großvater der Brüder Jochen und Uwe Holy, denen nach der Geschäftsübernahme 1969 zwei Geniestreiche gelangen. Zum einen verpassten sie mit klugen Marketingstrategien dem Namen Hugo Boss einen überaus modernen Klang. Und zum zweiten setzten sie bereits in den 1970er-Jahren auf den Fabrikverkauf. Der galt zunächst als Geheimtipp. Selbst im Hochglanzprospekt der Stadt tauchte Mitte der neunziger Jahre der Name Hugo Boss nicht auf. Statt dessen ist von einem „Grünen Zentrum“ die Rede, wo Historisches und Modernes ineinander greifen.

Kein Outlet auf der grünen Wiese

Zwar verkauften die Brüder ihr florierendes Unternehmen Hugo Boss im Jahr 1989. Doch ihre Holy AG blieb Metzingen als Investor für viele Gebäude der Outletcity erhalten. Von da an ging es rasant voran auf Metzingens Weg zur Schnäppchenstadt. 1992 erkor der Schnäppchenführer Metzingen zum „Mekka des Fabrikverkaufs“. 1997 fällte der Gemeinderat diesbezüglich eine wegweisende Entscheidung: Statt auf der grünen Wiese sollte das neue Outlet in der Innenstadt rund um den Lindenplatz entstehen.

Das wurde nur möglich, weil der Durchgangsverkehr – nach rund fünf Jahrzehnten Diskussion und Planung – aus der Innenstadt auf Umgehungsstraßen umgeleitet wurde. Seit 2011 ist das alte Metzingen von der modernen Outletstadt nicht mehr durch Autokolonnen getrennt. Und manche der drei Millionen Besucher, die Jahr für Jahr nach Metzingen kommen, finden mittlerweile den Weg in eine dank stattlicher Gewerbesteuereinnahmen zusehends attraktivere Innenstadt.

Fast nirgendwo im Ort geht es geradeaus

Metzingen war ein Marktflecken. Und ein Dorf entwickelt sich anders als eine Stadt. Das ist bis heute zu erkennen. Nirgends eine Spur von einer Stadtmauer, es gab niemals eine. Alte Metzinger Gebäude haben zwei Stockwerke, Reutlinger oder Tübinger Bauwerke mindestens drei. Und gerade verlaufende Straßen gibt es in Metzingen nur eine. Abseits der Reutlinger Straße ergaben sich alle Wege offenbar planlos entlang der kreuz und quer gebauten Häuser. Die Unordnung im Straßenbild fällt bei jedem Gang durch den Ort bis heute sofort auf – nirgendwo geht es geradeaus. Passanten stoßen auf einfache Wohnhäuser, dazwischen gibt es Gebäude mit Industrie und Gewerbe. Nahezu die ganze Stadt präsentiert sich als Mischgebiet – Wohnen und Arbeiten eng nebeneinander. Typisch Dorf eben – oder ganz modern?

Die Stadtrechte wurden erst 1831 gewährt

Marktflecken heißt, dass ein Ort Märkte ausrichten darf. Das war in Metzingen früh der Fall mit einem Wochenmarkt. Nach 1800 schritt die Industrialisierung voran. „Am Ermskanal entstanden erste kleine Fabriken“, sagt Bidlingmaier. Wasser war Voraussetzung für das Textilgewerbe. In kleinen Betrieben mit wenigen geschulten Mitarbeitern behielt oft einer die Oberhand und zahlte andere aus. Die späteren Fabrikantenfamilien wurzeln also in Handwerkerkreisen. Dem wirtschaftlichen Aufschwung stand der Status des Ortes entgegen. Die Stadtväter argumentierten bei ihrem Antrag auf Stadtrechte im Jahr 1831 damit, dass „in der Entfernung von einem Orte in der Regel die unrichtige Meinung bestehet, dass Einwohner eines Dorfes nicht in der Lage seyen, ihre Gewerbe über den gewöhnlichen Betrieb zu erheben wie in einer Stadt“. Von bedeutenden Nachteilen hinsichtlich des „Kredits und Verkehrs“ war ebenfalls die Rede. Die Argumentation überzeugte. Am 21. September 1831 verlieh König Wilhelm I. Metzingen per Dekret das Stadtrecht, das lässt sich in der Chronik ausführlich nachlesen. Der industrielle Erfolg ließ nicht auf sich warten. Bis dahin lebten viele Metzinger von der Landwirtschaft, und andere vom Weinbau. Auf dem Kelternplatz standen vor dem Dreißigjährigen Krieg neun Keltern, heute sind es noch sieben. „Stadt der sieben Keltern“, damit warb Metzingen über Jahre. Ihre eigentliche Funktion verloren die großen Gebäude mit ihren tief herunter gezogenen Dächern, als 1928 eine hydraulische Presse das Keltern übernahm. Heute beherbergt eines der Häuser immerhin eine Vinothek. Und es freut den Stadtarchivar, dass jeder Bahnreisende auf dem Weg vom Bahnhof zur Outletcity den Kelterplatz quert. Angesichts der heutigen Qualität der Weine nickt Rolf Bidlingmaier anerkennend. Zwar erinnert er sich auch an manchen „Simsenkrebsler“, der den Weintrinkern noch vor zwei, drei Jahrzehnten sauer aufgestoßen sein mag. Das habe sich geändert: Wenn am Kaiserstuhl die Nächte bereits zu warm blieben, sei das am Rand der kühlen Alb noch lange nicht der Fall. „Der Klimawandel tut uns gut“, sagt Bidlingsmaier.

Wie vielerorts ging es auch mit den Metzinger Textilfabriken bergab, die meisten endeten mit der Insolvenz. Die Ausnahme hat weltweit einen guten Namen – Hugo Boss. Er war der Großvater der Brüder Jochen und Uwe Holy, denen nach der Geschäftsübernahme 1969 zwei Geniestreiche gelangen. Zum einen verpassten sie mit klugen Marketingstrategien dem Namen Hugo Boss einen überaus modernen Klang. Und zum zweiten setzten sie bereits in den 1970er-Jahren auf den Fabrikverkauf. Der galt zunächst als Geheimtipp. Selbst im Hochglanzprospekt der Stadt tauchte Mitte der neunziger Jahre der Name Hugo Boss nicht auf. Statt dessen ist von einem „Grünen Zentrum“ die Rede, wo Historisches und Modernes ineinander greifen.

Kein Outlet auf der grünen Wiese

Zwar verkauften die Brüder ihr florierendes Unternehmen Hugo Boss im Jahr 1989. Doch ihre Holy AG blieb Metzingen als Investor für viele Gebäude der Outletcity erhalten. Von da an ging es rasant voran auf Metzingens Weg zur Schnäppchenstadt. 1992 erkor der Schnäppchenführer Metzingen zum „Mekka des Fabrikverkaufs“. 1997 fällte der Gemeinderat diesbezüglich eine wegweisende Entscheidung: Statt auf der grünen Wiese sollte das neue Outlet in der Innenstadt rund um den Lindenplatz entstehen.

Das wurde nur möglich, weil der Durchgangsverkehr – nach rund fünf Jahrzehnten Diskussion und Planung – aus der Innenstadt auf Umgehungsstraßen umgeleitet wurde. Seit 2011 ist das alte Metzingen von der modernen Outletstadt nicht mehr durch Autokolonnen getrennt. Und manche der drei Millionen Besucher, die Jahr für Jahr nach Metzingen kommen, finden mittlerweile den Weg in eine dank stattlicher Gewerbesteuereinnahmen zusehends attraktivere Innenstadt.