Nach einem skurrilen Prozess in Stuttgart-Nord zahlt ein Vermieter 400 Euro. Vordergründig geht es um Schäden am Haus. Nun hat die Richterin ihr Urteil gesprochen, doch Einigkeit wurde damit nicht geschaffen.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Nord - Wer konnte hören, wer sprechen, wie oft, wann genau und in welche Richtung der Gegensprechanlage? Die Richterin Claudia Utz wendet sich der Frage nach einem Briefkopf zu, nach einer Unterschrift oder einem fehlenden Faxprotokoll. Es geht ins Detail in diesem Verfahren. Es geht im Grunde auch nicht um Schäden am Haus und Reparaturfristen. Nicht die Sprechanlage ist irreparabel zerstört, sondern das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter.

 

Versuche einer Einigung zwischen beiden Parteien

Erschienen sind im Saal 305 des Amtsgerichts: der Beklagte und Vermieter, Helmut  L., ohne Rechtsanwalt, der Kläger und Mieter, Bertram W., mit dem Rechtsanwalt Ulrich Michael Weiss. Bisher sind keine Zeugen geladen. Der Termin ist der Versuch einer Einigung mit richterlicher Hilfe.

Missstände gäbe es mehr als genug

In einem Wohnblock am Nordbahnhof, acht Mehrfamilienhäuser, seien etliche Missstände zu beklagen, von der Technik bis zur Abrechnung. Das behauptet Bertram W., fordert 1200 Euro Mietrückzahlung und deutet an, dass sein Vermieter absichtlich schlampt, um Geld zu sparen.

Er schicke regelmäßig Handwerker, sogar einen Gutachter, und dies in ein Haus, das erst 2002 erbaut wurde. Das erwidert der Vermieter und deutet an, dass wenn es Schäden gibt, die absichtlich verursacht werden, „von Querulanten“.

Das Ziel: Gerechtigkeit für die Mietergemeinschaft

Die Richterin sagt, „dass ich mich immer frage, warum jemand in seiner Wohnung bleibt, wenn die Zustände unerträglich sind“. Helmut L. lässt keine Zweifel, dass ihm ein Auszug das angenehmste Ende des Zwists wäre. Aber so wird es nicht kommen. Bertram W. hat geklagt, um im Sinne eines Musterprozesses Gerechtigkeit für die Mietergemeinschaft zu erstreiten. Im gesamten Wohnblock herrsche der Missstand, in welcher Ausprägung auch immer. So gesehen, könnte es in künftigen Verhandlungen nicht um 1200 Euro gehen, sondern um eine sechsstellige Summe.

Die Stimmung ist angefüllt von Missständen

Aber zunächst geht es um drei Beispielen aus W.s Wohnung: Zwei Jahre lang funktionierte die Gegensprechanlage nicht, in der Gästetoilette war kein Warmwasser verfügbar, grundsätzlich dauert es viel zu lang, bis warmes Wasser fließt, wenn er den Hahn aufdreht – klagt der Mieter.

Für letzteres gilt: Es gibt ein paar Gerichtsurteile aus Berlin, gemäß denen bis zu fünf Minuten Wartezeit zumutbar sind, aber keine Rechtsprechung. Die Gästetoilette ist unstrittig. Die Gegensprechanlage wäre höchstens zur Hälfte anzurechnen. Dass sie durchgängig zwei Jahre lang nicht funktionierte, ist zunächst eine Behauptung. Der Beweis fehlt. So erklärt es Utz.

Die Richterin möchte das Verfahren zu einem Ende bringen

Mit mehr Nachdruck erklärt die Richterin, dass sie dieses Verfahren heute zu beenden gedenkt. Sie schlägt vor, sich bei 600 Euro Mietrückzahlung zu einigen und mahnt beide Parteien, dass sich für niemanden der Aufwand lohnt, den Prozess wegen solcher Beträge fortzuführen. Dann verschränkt sie ihre Arme vor der Brust, als wäre dies bereits ihr letztes Wort.

Hintergründig geht es in diesem Verfahren um etwas anderes als Warmwasser und Sprechanlagen. Helmut L. ist Geschäftsführer einer Baufirma. Betram W. ist arbeitslos. Er wehrt sich gegen das Gefühl, dass Reich glaubt, nach Belieben mit Arm umspringen zu dürfen. Dafür hat er sattsam Material zusammengetragen, bis hin dazu, dass jener Gutachter in der Firma seines Vermieters angestellt ist. Aber „das ist nicht verboten“, sagt Utz.

Die Einigung ist erzielt, doch nicht die Einigkeit

Auch Helmut L. hat nicht nur Akten zur Hand. Er zieht Fotos aus einer Mappe, mit denen er beweisen will, dass sein Mieter absichtlich Schäden in der Wohnung verursacht und sagt, dass eine Miet-Rückzahlung, wenn überhaupt, dem Jobcenter zustünde. Aber all dies ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Richterin mahnt wieder einmal zur Einigung und setzt einen Kompromiss durch. Der Vermieter zahlt 400 Euro auf das Konto seines Mieters zurück. Damit ist dieser Prozess beendet und Einigung hergestellt. Aber noch lange keine Einigkeit.