Mit der hauchzarten Mehrheit von einer Stimme ist der Linke-Politiker Bodo Ramelow am Freitag im zweiten Wahlgang zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden.

Erfurt - Historischer Machtwechsel in Thüringen: 25 Jahre nach dem Mauerfall regiert erstmals ein Ministerpräsident der Linken ein deutsches Bundesland. Bodo Ramelow brauchte bei der Wahl im Erfurter Landtag allerdings zwei Anläufe.

 

Im ersten Wahlgang fehlte dem 58-Jährigen eine Stimme, im zweiten entfielen dann 46 von 90 gültigen Stimmen auf ihn - exakt so viele Abgeordnete hat die erste rot-rot-grüne Koalition.

Ramelow nutzte seinen ersten Auftritt als Ministerpräsident für eine Geste an Kritiker und bat die SED-Opfer um Entschuldigung. Dabei sprach er persönlich einen Freund an, der einst im Stasi-Knast saß. "Lieber Andreas Möller: Dir und allen Deinen Kameraden kann ich nur die Bitte um Entschuldigung übermittlen."

Nun wird debattiert, ob das Dreierbündnis in Erfurt ein Modell für die Bundesebene sein kann, erste Stimmen auch in der SPD sehen das so. Dem widersprachen SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und SPD-Landeschef Andreas Bausewein: "Das ist kein Signal für den Bund." Auch Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sieht das so.

Die Unionsparteien werfen der SPD - dem Koalitionspartner im Bund - eine Aufwertung der SED-Nachfolgepartei vor. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sprach von einem "Tag der Schande für das wiedervereinigte Deutschland". "Mit Ramelow ist jetzt ein Top-Agent einer Ex-Stasi-Connection der Linkspartei Regierungschef geworden."

CDU-Generalsekretär Peter Tauber meinte, die Absage von SPD-Chef Sigmar Gabriel an eine Zusammenarbeit mit der Linken auf Bundesebene sei "nicht glaubwürdiger geworden". Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, der Schritt werde der SPD eher schaden.

CDU in der Opposition

Der Dachverband der SED-Opfer sprach nach Ramelows Wahl von einer Verhöhnung der Opfer. "Alte SED-Genossen und Stasi-Zuträger lenken nun das Land." In der Präambel des Koalitionsvertrags nennen Linke, SPD und Grüne die DDR einen Unrechtsstaat und versprechen Aufarbeitung.

Der von Ramelow direkt erwähnte Möller sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich finde es ermutigend, dass jemand so spricht, der Regierungschef wird." Er empfinde es als Gewinn, dass die Diskussion über DDR-Unrecht wieder angestoßen wurde. Gegen eine Regierungsverantwortung der Linken hatten unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Vorbehalte geäußert.

Die CDU, die in Thüringen 24 Jahre den Regierungschef gestellt hatte, ist nun in der Opposition. Sie wurde bei der Landtagswahl vor knapp drei Monaten zwar stärkste Partei, fand aber keinen Bündnispartner. Die CDU und die rechtspopulistische AfD kommen im 91 Abgeordnete umfassenden Parlament auf 45 Sitze - Rot-Rot-Grün hat also nur eine Stimme Mehrheit.

Ramelow stellte noch am Freitag seine Regierungsmannschaft vor. Künftig sitzen vier Minister der Linken, drei der SPD und zwei der Grünen am Kabinettstisch in Erfurt. Bundesweit bekannt ist neben Ramelow nur Ex-Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der das Wirtschaftsressort übernimmt.

Die CDU kündigte eine "kraftvolle Oppositionsarbeit" an, um das "Experiment" Rot-Rot-Grün rasch zu beenden. Fraktionschef Mike Mohring gibt der neuen Regierung angesichts von Ramelows Scheitern im ersten Wahlgang keine fünf Jahre. So lange läuft die Legislatur.