Ministerpräsident Kretschmann muss umziehen. Die Villa Reitzenstein ist sanierungsbedürftig. Als Alternative ist das Schloss im Gespräch.

Stuttgart - Die jüngst von Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärte Absicht, mit dem Staatsministerium aus der Villa Reitzenstein in die Innenstadt und damit näher zur Bevölkerung zu ziehen, wirft die bisherigen Pläne für die gemeinsam mit Breuninger angestrebte Neubebauung am Karlsplatz über den Haufen und wirbelt alle Umzugspläne für Ministerien durcheinander. Wie das Staatsministerium auf Anfrage erklärte, werden für einen neuen Amtssitz der Landesregierung der Umbau des Neuen Schlosses oder ein moderner Neubau anstelle des Innenministeriums in der Dorotheenstraße am Karlsplatz geprüft. "Am wahrscheinlichsten ist ein Neubau am Karlsplatz, aber für den Ministerpräsidenten ist auch ein Umzug ins Neue Schloss eine gleichwertige und prüfenswerte Variante", sagt der Staatssekretär im Staatsministerium, Klaus-Peter Murawski. Er macht keinen Hehl aus seiner persönlichen Präferenz für einen architektonisch anspruchsvollen Neubau. Murawski: "Es wäre eine bessere Symbolik, in ein Gebäude der Moderne zu ziehen als in ein Gebäude des Royalismus."

 

Schützenhilfe bekommt der ehemalige Stuttgarter Verwaltungsbürgermeister von seinem früheren Dienstherrn. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hat Kretschmann bereits bei dessen Antrittsbesuch einen Umzug an den Karlsplatz empfohlen. Jetzt hat er diesen Vorschlag in einem Brief an den Ministerpräsidenten werbend vertieft. "Ich würde mich freuen, wenn Sie und künftige Ministerpräsidenten nicht mehr auf einem Hügel über Stuttgart hinter Gittern und Stacheldraht regieren, sondern an einem schönen historischen Platz im Herzen der Stadt", schreibt Schuster. Bis jetzt sei die Landesregierung für die Bürgerschaft praktisch nicht präsent, bei einem Neubau am Karlsplatz, so Schuster, "wäre es deshalb wünschenswert, wenn im Erdgeschoss Ausstellungsflächen und Veranstaltungsräume vorgesehen würden". Schuster zieht zudem die ökologische Karte und sieht am Karlsplatz die Chance für "die erste C02-freie Regierungszentrale weltweit". Der Bau könne 2013 begonnen und 2014 bezogen werden, wobei die Stadt davon ausgehe, dass das alte Hotel Silber erhalten bleibe und sich die Baumassen an der Umgebung orientierten. An diesen Knackpunkten ist die bisherige Planung für neue Ministerien, ein Luxushotel, Handel und Gastronomie am Karlsplatz gescheitert.

Es herrscht Zeitdruck

Murawski glaubt, dass spätestens bis Mai 2012 eine Umzugsentscheidung fallen wird, denn Zeitdruck besteht aus mehreren Gründen. Zum einen will man einen langen Leerstand des Innenministeriums am Karlsplatz vermeiden, wenn dieses Mitte nächsten Jahres mit Verspätung in den Neubau an der Willy-Brandt-Straße ziehen wird. Zum anderen gilt die Villa Reitzenstein als akut sanierungsbedürftig, nachdem zu Wasser- und anderen Problemen jetzt auch noch Asbest in den Nebengebäuden entdeckt wurde.

Interimsweise könnte der Ministerpräsident seinen Amtssitz ins Neue Schloss verlegen, zumal der Auszug des Kultusministeriums als gesetzt gilt. Denkbar wäre, dass die Kultusbeamten auf die andere Seite des Schlossplatzes ziehen, wo das Land jüngst den Königin-Olga-Bau angemietet hat. Die künftige Nutzung des Neuen Schlosses bleibt in der Rochade mit die spannendste Frage. Denn Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid würde den Kultusflügel gerne dem Wirtschaftsministerium zuschlagen und so seine beiden Ministerien unter einem Dach vereinen. Dem Vernehmen nach will der grüne Koalitionspartner aber den Stellvertreter des Ministerpräsidenten nicht zum alleinigen Schlossherrn aufsteigen lassen. Zudem hat der Landtag bei der Suche nach zusätzlichen Räumen bereits Ansprüche auf das Neue Schloss angemeldet. Ob die Abgeordneten sich davon abbringen und für den jetzt von Stadt und Stami verfolgten Vorschlag erwärmen lassen, stattdessen in moderne Büros neben dem Regierungssitz am Karlsplatz zu ziehen, bleibt abzuwarten.

Abzuwarten bleibt auch, wie Breuninger-Chef Willem van Agtmael auf die jüngste Entwicklung reagieren wird. Denn Handel und Hotel ließen sich in einem Neubau für den Ministerpräsidenten nicht verwirklichen. "Wenn der Ministerpräsident aus dem Urlaub zurück ist, wird es ein Gespräch mit Herrn van Agtmael geben", so Staatssekretär Murawski.