Sie sagten, fürs Erziehen sei die Zivilgesellschaft zuständig, nicht die Politik. Aber muss die Politik nicht auch Impulse geben und sogar auch regulierend eingreifen? Nehmen Sie die Autoindustrie, die für Baden-Württemberg so wichtig ist. Für den Bundesparteitag der Grünen liegt ein Antrag vor, Verbrennungsmotoren vom Jahr 2030 an nicht mehr zuzulassen. Ist es nicht richtig, jetzt, da der Trend in Richtung Elektroauto geht, rechtzeitig umzustellen? Früher schwangen Sie die Innovationspeitsche.
Wir wollen niemand auspeitschen. Stimulieren ja, aber nicht strangulieren. Ambitionierte Grenzwerte machen als Treiber technischer Entwicklung durchaus Sinn. In der jetzigen Situation ist aber zu überlegen, ob wir die Euro-6-Norm für Dieselfahrzeuge noch optimieren sollen. Denn hier die letzten Prozentpunkte an Optimierung herauszuholen, wird sehr teuer sein. Wäre das Geld nicht in der Entwicklung des Elektroautos besser angelegt? Solche Fragen müssen wir mit der Autoindustrie in einem strategischen Prozess klären. Und wir müssen die Infrastruktur für emissionsfreie Mobilität schaffen. Es ist gut, dass diese wichtigen Fragen nun Eingang in den Antrag für den Parteitag gefunden haben. Dazu kommt, dass sich die Ablösung des Verbrennungsmotors durch das Elektroauto mit dem Übergang vom Selbstfahren zum autonomen Fahren überkreuzt. Das ist ein disruptiver Vorgang: die eine Technik verdrängt die andere. Das wird die Autowelt dramatisch verändern. Da geht es um Wertschöpfung und Arbeitsplätze, um die ich mir Sorgen mache.
Läuft Baden-Württemberg in Gefahr, das Ruhrgebiet von morgen zu werden?
Dass es dazu nicht kommt, dafür müssen wir diesen Transformationsprozess strategisch gestalten. Ganze Industriezweige, die sich mit Einspritzpumpen oder Verbrennungsmotoren beschäftigen, werden verschwinden. Wie wird das ersetzt? Ein starkes Glied der Wertschöpfungskette beim Elektroauto ist die Batterie. Da sind wir im Land noch gar nicht präsent.
Elektroautos, die mit Kohlestrom fahren, können nicht das Ziel sein.
Die Energiewende ist Bestandteil dieses Umwandlungsprozesses. Die synthetischen Kraftstoffe der zweiten Generation kommen aus Biomasse, sind also umweltfreundlich. Auf dieser Grundlage könnte der Verbrennungsmotor sogar noch eine Rolle spielen. Ein denkbares Szenario ist aber auch, dass wir diese regenerativ gewonnenen Kraftstoffe für den Flugverkehr einsetzen, weil man große Flugzeuge nicht elektrisch betreiben kann. Das sind wichtige Fragen. Die Antworten kann man aber nicht aus dem Ärmel schütteln. Das Jahr 2030, über das viel geredet wird, ist gegriffen. Die Zahl macht aber Druck, die Richtung stimmt, ob der Schnitt ein paar Jahre früher oder später erfolgt, darauf kommt es nicht an. Meine Aufgabe als Regierungschef eines Automobillandes ist es, eine strategische Debatte zu führen, die zwei Leitplanken beachtet: die Klimaschutzvereinbarungen gelten, aber unsere Wettbewerbsfähigkeit muss erhalten bleiben. Es geht um Hundertausende Arbeitsplätze.
Bleibt Baden-Württemberg auch morgen noch Baden-Württemberg?
Ich bin sehr optimistisch. Das schaffen wir.