Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Geht man heute, gleich am Ausgang des Busbahnhofs, die lange Reihe der wartenden Taxis ab, schaut man in eine ebenso lange Reihe argwöhnischer bis feindseliger Gesichter. Die Taxis, wie vielerorts in Nordengland, sind fest in pakistanischer Hand. Und weil Taxifahrer am Missbrauchskomplott beteiligt waren, stehen auch unbescholtene Fahrer nun unter Verdacht, mit der Sache zu tun gehabt zu haben.

 

Ein bärtiger Fahrer, der nicht ganz so verschlossen ist wie seine Kollegen, hält es „für völlig unfair, dass jetzt alle Taxifahrer hier und überhaupt alle Muslime für diese hässliche Geschichte verantwortlich gemacht werden“. Tatsächlich hat die Nachricht, dass hinter dem Missbrauch von Minderjährigen in Rotherham fast ausschließlich Männer „asiatischer“ Herkunft stecken, heftige Reaktionen ausgelöst. Dabei weiß man von den Gangs, die den Missbrauch organisierten, bis jetzt noch wenig. Es handelt sich offenbar meist um kleine Freundeskreise, überwiegend aus pakistanischen Familien.

Die Labour Party wollte nicht als rassistisch gelten

Viel zu lange habe die Labour Party, die dominierende örtliche Partei, geschwiegen, bloß weil sie nicht als rassistisch gelten wollte, grollen nun Kritiker vom rechten politischen Spektrum. Mit Labours „multikulturellem Unsinn“ müsse jetzt Schluss sein – und zwar ein für alle Mal.

Rechtsextremisten der Britischen Nationalpartei (BNP) und der Englischen Verteidigungsliga (EDL) haben antiislamische Aufmärsche in Rotherham angekündigt. Ein EDL-Grüppchen hat schon vor dem Riverside House protestiert, dem erst vor zwei Jahren eröffneten Kreisverwaltungsgebäude. „Der Labour-Stadtrat“, skandierten die Demonstranten, „hat 1400 unserer Kinder im Stich gelassen.“ Die Labour Party sei an allem schuld. Wie anderswo auch regt sich in diesem alten, vielfach vernachlässigten und mehrheitlich von Arbeitern bewohnten Bezirk ein zorniger Geist gegen „Zugewanderte“ und deren angebliche Beschützer.

Ein anderes Mädchen, gerade mal zwölf Jahre alt, war von einer Gruppe junger Männer in einer Einkaufsmeile „aufgelesen“ worden. Sie habe die Männer als ihre Freunde betrachtet, bis sie ein Jahr später von einem von ihnen in Anwesenheit der anderen brutal vergewaltigt worden sei, erzählt sie rückblickend. „Von da an wurde ich jede Woche einmal vergewaltigt.“

Eine dritte Zeugin war mit 15 Jahren „einem älteren Mann“ verfallen. „Ich glaubte damals, dass er mich liebte, und vertraute ihm“, erzählt sie. Der Mann hatte bereits eine ganze Gruppe Minderjähriger von sich abhängig gemacht und betrieb einen regen Handel mit Mädchen. Er terrorisierte die Familie der 15-Jährigen. Einmal übergoss er die Schülerin mit Benzin und drohte sie anzuzünden, wenn sie etwas verrate. Jays Bericht zufolge versuchte sich die 15-Jährige in ihrer Verzweiflung mit einer Überdosis Pillen umzubringen. Ihre Familie zerbrach, die Schülerin landete in einem Heim – und ist heute, als junge Frau, noch immer auf psychologische Hilfe angewiesen.

Die Mädchen gehören fast alle zur Unterschicht

1400 solcher Fälle sollen sich innerhalb von sechzehn Jahren ereignet haben – Professorin Jay spricht von einer „vorsichtigen Schätzung“. Vor Schultoren, vor Kinderheimen und in den Einkaufszentren der Stadt wurden Mädchen, die fast ausnahmslos zur Unterschicht gehörten, „eingesammelt“. Auch in Rotherham Interchange, dem Busbahnhof, fingen die Täter Minderjährige systematisch ab.

Es ist ein Busbahnhof wie viele andere im Land. Familien drängen sich zu den Abfahrtstüren, Kinder rollern durch die Halle, jemand kauft im Blumenladen einen Strauß Dahlien. Gutachterin Jay hat sich von den Gewaltopfern genau beschreiben lassen, wie sie fühlten, wenn sie sich dort aufhielten. „Nervös“, „immer in Sorge, angesprochen zu werden“. Noch schlimmer sei es in den Taxis gewesen, berichten Dutzende der Opfer. In der Tat spielen Taxifahrer eine zentrale Rolle bei den jetzt enthüllten Missbrauchsfällen. Viele luden die Mädchen vor Schulen ein, um sie zu einem „Rendezvous“ zu chauffieren.

Die Taxifahrer wolle nicht in Sippenhaft genommen werden

Geht man heute, gleich am Ausgang des Busbahnhofs, die lange Reihe der wartenden Taxis ab, schaut man in eine ebenso lange Reihe argwöhnischer bis feindseliger Gesichter. Die Taxis, wie vielerorts in Nordengland, sind fest in pakistanischer Hand. Und weil Taxifahrer am Missbrauchskomplott beteiligt waren, stehen auch unbescholtene Fahrer nun unter Verdacht, mit der Sache zu tun gehabt zu haben.

Ein bärtiger Fahrer, der nicht ganz so verschlossen ist wie seine Kollegen, hält es „für völlig unfair, dass jetzt alle Taxifahrer hier und überhaupt alle Muslime für diese hässliche Geschichte verantwortlich gemacht werden“. Tatsächlich hat die Nachricht, dass hinter dem Missbrauch von Minderjährigen in Rotherham fast ausschließlich Männer „asiatischer“ Herkunft stecken, heftige Reaktionen ausgelöst. Dabei weiß man von den Gangs, die den Missbrauch organisierten, bis jetzt noch wenig. Es handelt sich offenbar meist um kleine Freundeskreise, überwiegend aus pakistanischen Familien.

Die Labour Party wollte nicht als rassistisch gelten

Viel zu lange habe die Labour Party, die dominierende örtliche Partei, geschwiegen, bloß weil sie nicht als rassistisch gelten wollte, grollen nun Kritiker vom rechten politischen Spektrum. Mit Labours „multikulturellem Unsinn“ müsse jetzt Schluss sein – und zwar ein für alle Mal.

Rechtsextremisten der Britischen Nationalpartei (BNP) und der Englischen Verteidigungsliga (EDL) haben antiislamische Aufmärsche in Rotherham angekündigt. Ein EDL-Grüppchen hat schon vor dem Riverside House protestiert, dem erst vor zwei Jahren eröffneten Kreisverwaltungsgebäude. „Der Labour-Stadtrat“, skandierten die Demonstranten, „hat 1400 unserer Kinder im Stich gelassen.“ Die Labour Party sei an allem schuld. Wie anderswo auch regt sich in diesem alten, vielfach vernachlässigten und mehrheitlich von Arbeitern bewohnten Bezirk ein zorniger Geist gegen „Zugewanderte“ und deren angebliche Beschützer.

Vorurteile gegenüber Pakistanern gibt es viele

Die kriminelle Praxis pakistanischer Gangs ist ein perfektes Ziel für angestauten Unmut, für jede Menge Ressentiments gegenüber dunkelhäutigen Nachbarn. Niemand hat in all der Zeit die Lücke zu füllen vermocht, die der Zusammenbruch der Industrie und der damit einhergehende Verlust des Selbstwertgefühls hinterlassen haben. Nicht nur die Kohlebergwerke der Gegend sind sukzessive stillgelegt worden. Auch die berühmten Gusseisen- und Stahlfirmen haben zugemacht.

Hier und da lässt sich im Zentrum noch etwas von der großen Epoche der industriellen Fabrikation ahnen, aber der Ruhm ist verblichen, das Geld abgezogen. Die aufwendigen Renovierungen einzelner Fassaden können die alte Herrlichkeit nicht wiederherstellen. Das Münster, Hauptattraktion der Stadt, ist fest verrammelt. „Manchmal“, heißt es im Verkehrsamt, „wird es mittwochmorgens für Touristen geöffnet.“

Beim Kinderschutz wurde erheblich gespart

Unter seiner Mauer schlafen an diesem Nachmittag zwei Männer ihren Rausch aus. Eine Fünfergruppe sitzt auf dem Rasen und trinkt Bier, nebenan quasseln ein paar Mädchen. Die alten Theater sind zu Nachtclubs verkommen. Drunten im Ort aber drängen sich Tür an Tür Billigläden, karitative Filialen, Geschäfte mit permanentem Schlussverkauf. Überall stehen Läden leer. Viel drastischer als im wohlhabenden englischen Süden hat die Zentralregierung hier städtische Ressourcen gekürzt. Auch beim Kinderschutz wurde schon erheblich gespart. Das sei nur noch ein Skelett an Dienstleistungen übrig geblieben, klagen Experten, und das in Gebieten, die es am nötigsten haben. „Es ist“, sagt die frühere Heimbetreuerin und heutige „Guardian“-Kolumnistin Suzanne Moore, „als seien sich alle einig darin, wer wertlos ist im Land und wer nicht“.

Nach Moores Ansicht teilten die Polizei, die Kommunalverwaltungen, die Regierung in London und die kriminellen Banden wie etwa die Gangs in Rotherham eine Überzeugung: nämlich, dass Mädchen der englischen Unterschicht „white trash“ seien, nichts als weißer Müll. Allerdings würden die Gangs den „Müll“ ausbeuten, während die Behörden ihn am liebsten ignorierten, fügt Moore hinzu. Letzterer Vorwurf wird neuerdings vor allem der Polizei von Rotherham gemacht.

Polizisten glaubten den Minderjährigen oft nicht

Ein vor Kurzem veröffentlichter Bericht hat offengelegt, dass Polizisten vor Ort den Aussagen missbrauchter Minderjähriger oft keinen Glauben schenkten. Dass sie Vergewaltigungen nicht als Verbrechen einstuften. Dass sie Klagen zu widerlegen versuchten, statt ihnen nachzugehen. Und dass sie es nicht für notwendig hielten, etwas für die Unglücklichen zu tun.

Die Täter konnten sich, wie viele Kinder und Jugendliche der Gutachterin bestätigten, sicher fühlen. Häufig ging die Polizei davon aus, dass die Minderjährigen dem Sex zugestimmt hätten. Manchmal wurden nur die Opfer verhaftet, wegen Trunkenheit oder Drogenmissbrauchs, während man ihre Vergewaltiger laufen ließ. Schwere Vorwürfe sind auch gegenüber Kommunalpolitikern und Jugendschutzbehörden erhoben worden. Kindesmissbrauch an die große Glocke zu hängen war offenkundig unerwünscht. Wie sich nun herausgestellt hat, sind Berichte besorgter Sozialarbeiter in Rotherham sogar zurückgehalten worden. Unbequeme Daten wurden gelöscht. Allzu neugierige Mitarbeiter wurden versetzt.

Von „enormen Unterlassungen“ spricht der Bericht von Gutachterin Jay. Den Kindern sei „mit unglaublicher Verachtung“ begegnet worden. Muslimische Verbände in Rotherham sehen mittlerweile ein, dass sie „einiges an Arbeit“ in den eigenen Reihen zu leisten haben. Männerrollen und Frauenbilder in pakistanischen Einwandererfamilien sind mittlerweile zum Gegenstand öffentlicher Debatten geworden.

Die Polizei tut sich mit der Aufarbeitung schwer

„Wer sich schuldig gemacht hat, muss unerbittlich verfolgt werden“, sagt Muhbeen Hussain, Gründer einer muslimischen Jugendgruppe in Rotherham: „Schließlich treiben sich diese Leute immer noch frei auf den Straßen herum. Und absolut nichts in unserer Kultur rechtfertigt solche Untaten.“

Die Polizei tut sich schwer, ihrem Auftrag endlich nachzukommen. Zurzeit laufen in Rotherham in Sachen Missbrauch 32 Ermittlungsverfahren. Letztes Jahr waren mit über 170 Fällen in ganz Südyorkshire nicht mehr als drei Beamte befasst. Von einem „himmelschreienden kollektiven Versagen“ der Verantwortlichen für Rotherham hat Gutachterin Jay gesprochen und Konsequenzen gefordert. Diesem Vorwurf soll nun eine unabhängige Untersuchung nachgehen. Am Dienstag wurden erstmals mehrere Labour-Stadträte suspendiert. Ein Rotherham-Polizist muss sich wegen Nötigung vor Gericht verantworten. Es ist erst der Anfang eines sehr langen, sehr schmerzhaften Prozesses.