In der Diözese Rottenburg sind binnen zehn Tagen zwei Geistliche suspendiert worden, die seit langem unter Verdacht stehen.

Stuttgart - Ein Vorhang aus feinen Regentropfen hängt über der Stadt. Draußen biegt der Wind die Schwarzwaldtannen, drinnen beugen sich die Gläubigen vor dem Kreuz. Es ist Sonntag in der Kirchengemeinde Sankt Jakobus zu Sulz, ein grauer.

"Am siebten Tag sollst Du ruhen", heißt es im Buch Genesis. Mit der Ruhe ist es nicht weit her in dieser jungen, lebendigen Gemeinde. Anders als sonst steht nicht der Pfarrer vor dem Altar, sondern der Dekan. Albrecht Zepf heißt der Mann, und er wirkt an diesem Morgen ein bisschen wie ein Neckarkarpfen im Mittelmeer. Der große Missbrauchsskandal ist hineingeschwappt in den Mikrokosmos der Katholiken von Sulz. Und Zepf, der Gottesmann, muss es verkünden.

Eine Taufe werde heute gefeiert, beginnt er hölzern, was ein freudiges Ereignis sei. Am Ende des Gottesdienstes gebe es eine Erklärung zum Pfarrer, der unter Missbrauchsverdacht steht. Was er nicht sagt: Zepf ist Kummer gewohnt und hat in seinem Sprengel noch einen Seelsorger, der nach ähnlichen Vorwürfen zu ihm kam. Aber das ist eine andere Geschichte. Die Taufe geht vor. Beherzt wendet sich der Dekan dem Kinde zu, das aufgenommen wird in den Kreis der Gläubigen. Willkommen in der Zukunft einer Kirche mit traumatischer Vergangenheit.

Fürst suspendierte zwei Priester


Sulz steht am Anfang einer Reise quer durch eines der größten Bistümer Deutschlands. Mehr als zwei Millionen Katholiken leben in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, wo für gewöhnlich alles seinen Platz hat, es sei denn, Bischof Gebhard Fürst suspendiert binnen zehn Tagen in Munderkingen und Sulz zwei Priester mit sofortiger Wirkung. Nach immer neuen Enthüllungen hält sich die katholische Kirche den Spiegel vor. Ein neuer Blick auf sich selbst. Was es da zu sehen gibt, ist oft hässlich. Darunter leiden Menschen, die nichts dafür können. Sulz, Landkreis Rottweil, 12.000 Einwohner, ist jetzt auch ein Punkt auf der Landkarte der Mutmaßungen. Der Pädophilenskandal setzt seine eigenen Markierungen.