Neuer Anlauf: Die Fälle von physischer und psychischer Gewalt in den Korntaler Kinderheimen sollen aufgearbeitet werden. Doch zunächst sind zwei Mediatoren aus Frankfurt gefragt. Sie sollen die zerstrittenen Betroffenen, die evangelische Brüdergemeinde und deren ehemalige Mitarbeiter an einen Tisch bringen.

Korntal-Münchingen - Die Situation ist schwierig, die Aufgabe komplex: Die Mediatoren Elisabeth Rohr und Gerd Bauz – beide aus Frankfurt – sind im Korntaler Missbrauchsskandal angetreten, die Opfergruppen, die evangelische Brüdergemeinde und ehemalige Mitarbeiter der beiden Korntaler Kinderheime am Tisch zu einen.

 

Für alle Beteiligten steht viel auf dem Spiel: Ein erster Aufarbeitungsprozess unter der Erziehungswissenschaftlerin Mechthild Wolff war im März gescheitert – auch daran, weil die ehemaligen Heimkinder ihr das Vertrauen entzogen hatten. Sie hatten Wolff eine zu große Nähe zur Brüdergemeinde vorgeworfen. Diese hat zwischenzeitlich Fälle von köperlicher und seelischer Gewalt einräumte. Wie viele Kinder letztlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschädigt wurden, soll die Aufklärung zeigen. Die Aufklärung allein reicht dem ehemaligen Heimkind Detlev Zander aber nicht. Er war 2014 als erster damit an die Öffentlichkeit gegangen und versteht den Prozess, den es nun erneut anzustoßen gilt, als Betrachtung der Strukturen innerhalb der pietistischen Gemeinde.

Alle Beteiligten hoffen auf den Runden Tisch

Doch so sehr sie ihr Schicksal eint, so sehr sind die Opfer untereinander zerstritten. In den vergangenen Wochen hatten Rohr und Bauz nun Gespräche geführt: mit den Vertretern der einen Gruppierung ehemaliger Heimkinder, der „Opferhilfe“, der ehemaligen Mitarbeiter sowie auch der Brüdergemeinde. Die Gemeinde hatte die beiden vorgeschlagen. „Wir warten ab, wie sich die beiden Gruppierungen positionieren“, sagt deren Sprecher Manuel Liesenfeld. Das Gespräch mit dem zweiten Opfergruppe, dem Netzwerk Betroffenenforum steht aus und soll heute stattfinden. „Wir möchte, dass es weiter geht“, sagt dessen Sprecher Detlev Zander. Er hatte die Vorfälle publik gemacht. Unabhängig voneinander formuliert dies auch der Vertreter der zweiten Opfergruppe, der „Opferhilfe“. Theo Kampouridis, sagt, es gehe „nur weiter, wenn alle an einem Strang ziehen“. Walter Link, ehemals Schul- und Heimleiter, der als Vertreter der Mitarbeiter mit Bauz und Rohr sprach, sagt: „Ich hoffe, dass es gelingt, zusammenzukommen.“

Im Herbst soll die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle beginnen

Bei dem Gespräch sei es nicht um Details gegangen, bestätigen alle Beteiligten. Die Mediatoren äußern sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Sie wollen den Prozess der Annäherung nicht gefährden. Bringen die beiden Mediatoren die Gruppen zusammen, wolle man im Herbst neu beginnen, sagt der Brüdergemeinde-Sprecher Manuel Liesenfeld. Wie die Aufarbeitung aussehen wird, muss dann erst erarbeitet werden, unklar ist auch unter wessen Leitung.

Die Gründe für den Streit innerhalb der Betroffenengruppe sind vielfältig. Sie liegen teils in der gemeinsamen Heimzeit begründet, entstanden aber auch während des ersten Versuchs, die Fälle von physischer, psychischer und sexueller Gewalt in den beiden Kinderheimen aufzuarbeiten.