Auf dem Hof der AWS-Betriebsstelle Neckar an der Leobener Straße 84 herrscht derzeit reger Betrieb: Wenn Eis und Frost Straßen in Rutschbahnen verwandeln, ist der Streudienst gefragt.

Stuttgarter Norden - Auf dem Hof der „Betriebsstelle Neckar“ an der Leobener Straße 84 herrscht reger Betrieb: Ein langer Lastwagen mit einer neuen Salzlieferung ist auf das Gelände des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft der Stadt Stuttgart (AWS) nahe der B 295 in Feuerbach vorgefahren und sorgt für Nachschub. Über einen dicken Schlauch wird Streugut in eines der beiden großen Silos gepumpt. „Wir haben hier in Feuerbach zwei Silos mit je 300 Tonnen Fassungsvermögen“, sagt Martin Hirsch, Leiter der Betriebsstelle Neckar.

 

Salz-Silos in Münster dienen als Reserve

In der Außenstelle Wangen lagern in einer Halle mit einem Förderband weitere 350 Tonnen Streusalz. In der AWS-Betriebsstelle an der Burgholzstraße in Münster wurden fünf alte Speicher abgerissen und stattdessen vier neue Salz-Silos für jeweils 200 Tonnen gebaut. Das dortige Lager diene als Reserve, sagt Hirsch. Für 35 verschiedene Streubezirke ist der Betriebsstellenleiter zuständig. 15 Winterdienstfahrer starten ihre Touren vom Betriebshof an der Leobener Straße in Feuerbach. Ralph Kirschbaum ist einer von ihnen. Der 50-jährige Feuerbacher ist gelernter Zimmermann und arbeitete als Lkw-Fahrer 13 Jahre im Fernverkehr, bevor er zur AWS kam. Inzwischen sei das sein 14. Winter, überraschen kann ihn da nicht mehr viel. Am Steuer seines Räumfahrzeuges, das er mit mehreren tausend Litern flüssiger Sole – ein Gemisch aus 21 Prozent Salz und 79 Prozent Wasser – befüllen kann, sorgt er regelmäßig dafür, dass dort draußen der Straßenverkehr weiter fließen kann und nichts ins Rutschen gerät.

Mit dem Salz-Wasser-Gemisch wird dem Winter die Suppe versalzen

Kirschbaum hat diese Woche Nachtschicht, bis morgens um 5.45 Uhr ist er dann unterwegs. Langweilig wird es ihm in diesen eiskalten Nächten vermutlich nicht werden. Mit der Natriumchlorid-Wasser-Lösung, die er auf die Straße sprüht, wird er Väterchen Frost dann wieder ordentlich die Suppe versalzen. „Der Schnee ist nicht das Schlimme“, sagt Kirschbaum. Glatteis berge viel größere Gefahren.

„Meistens bringen wir die Sole nachts auf die Straße, damit die Straße nicht überfriert“, erklärt Betriebsstellenleiter Hirsch. Denn gelöstes Salz taut Eis schneller ab als trockenes. Und es ist zudem auch sparsamer und umweltschonender. „Seit vier bis fünf Jahren fahren wir mit reiner Sole“, erklärt Hirsch. Auf dem AWS-Hof steht dafür ein Behälter zur Verfügung, der Natriumchlorid und Wasser ins richtige Mischungsverhältnis bringt. Bis zu 8000 Liter der salzigen Brühe fassen manche der AWS-Fahrzeuge. An der Wand gleich neben dem Eingang der Betriebsstelle hängen die aktuellen Wetterdaten und die Einsatzpläne. „Wir fahren rund um die Uhr“, sagt Hirsch. Um das Streuen auf Gehwegen, in Grünanlagen und vor städtischen Liegenschaften und öffentlichen Objekten kümmern sich dagegen Fremdfirmen, die Straßen betreuen die AWS-Mitarbeiter.

Geräumt und gestreut wird streng nach Plan

In Hirschs Arbeitszimmer hängen jede Menge Straßenkarten. Geräumt und gestreut wird streng nach Plan, jede Route ist festgelegt. Die Streuwege sind in verschiedenen Farben – Rot, Blau und Grün – eingezeichnet. Je nach Dringlichkeit fährt der Räumdienst die verschiedenen Routen sofort oder später ab. Oberste Priorität haben Hauptstraßen und verkehrswichtige Straßen. In diese rot markierte Kategorie A fällt beispielsweise die Bergheimer Steige. Auch Zufahrtsstraßen zu Feuerwehrmagazinen, zu Polizeirevieren und Krankenhäusern sind rot markiert. Immer mal wieder würden diese Pläne in Zusammenarbeit mit der Polizei aktualisiert. Danach werden die wichtigen Nebenstraßen freigeräumt. Zuletzt kommen die grün gekennzeichneten Wege dran. Dazu zählen Wohnstraßen mit einer Steigung von mindestens fünf Prozent. Summa summarum sind 5 A-Pläne, 5 B-Pläne und 9 C-Pläne in den nördlichen Stadtbezirken abzuarbeiten. Zusammen sind das rund 600 Straßenkilometer, die die Winterdienst-Truppe vom Betriebshof Feuerbach freihält: Wenn dann noch Kapazitäten vorhanden sind, werden auch Straßen, die in keine dieser Kategorien fallen, von Schnee und Eis befreit.

Mit dem Streufahrzeug durch enge Wohnstraßen zu fahren, bedeutet Millimeterarbeit

Mit einem drei Meter breiten Schneepflug durch enge und beidseitig zugeparkte Wohnstraßen zu kutschieren, ist echte Millimeterarbeit. Wichtig sei, rutschige und vereiste Gefällstrecken immer von unten nach oben zu befahren, sagt Ralph Kirschbaum. „Nie den Berg von oben nach unten abfahren.“ Das gelte insbesondere für die Eltinger Steige und die Hummelbergstraße. Botnangs Straßen bei Nacht von Eis und Schnee zu befreien, sei schon eine Spezialaufgabe, meint der 50-jährige Feuerbächer. Wenn es vorwärts nicht weiter geht, muss das Räumfahrzeug rückwärts die Steige hoch – mit rotierendem Streuteller. Eines sei ganz wichtig, im Kampf gegen Eis und Schneeglätte: „Immer entspannt bleiben“, sagt der Streudienstfahrer. Einen kühlen Kopf bewahren, heißt die Devise. Dabei gebe es hin und wieder auch genug Gründe, kurzfristig die Fassung bei dem nervenaufreibenden Fahrten zu verlieren: Zum Beispiel, wenn entgegenkommende Autofahrer auf engen Wohnstraßen bis an den drei Meter breiten Schneepflug des Fahrzeugs heranfahren, ohne auch nur ansatzweise darüber nachzudenken, wie die Fahrzeuge aneinander vorbeikommen sollen.

Vorbildlich ist dagegen das vorausschauende Fahrtverhalten eines Mopedfahrers im Wohngebiet Hattenbühl, der in einer Parklücke wartet, um das Streufahrzeug in aller Ruhe passieren zu lassen. Kirschbaum hebt in der Fahrerkabine als Dankesgeste die Hand.

Nicht gerade leicht macht es ihm dagegen ein falsch parkender Mercedes im Otto-Herrmann-Weg. Um Haaresbreite kommt er mit seinem drei Meter breiten Schneepflug durch dieses Nadelöhr. Als Hinweis für den Daimler-Fahrer hängt er einen roten Vordruck der AWS unter den Scheibenwischer an der Windschutzscheibe: „Wir machen den Weg frei, bitte helfen Sie uns dabei. Ihre Abfallwirtschaft und Ihr Winterdienst“, steht darauf.