Der Adrian Kozakiewicz aus Waldbronn sammelt seit acht Jahren exotische Insekten. Er bloggt über seine zahlreichen Krabbeltiere und ist heute ein Internetstar.

Waldbronn - Igitt, Rieseninsekten? Oh nein. Sehr unspektakulär sieht es hier aus. „Hier“ ist eine kleine Doppelhaushälfte in Waldbronn bei Karlsruhe, das Reich der Krabbeltiere befindet sich im sorgfältig aufgeräumten Keller. Der Herrscher dieses kleinen Reichs ist Adrian Kozakiewicz, gerade 20 Jahre alt geworden. Er bezeichnet sich als vielleicht jüngsten Insektenzüchter Europas, er ist Gottesanbeterinnen-Spezialist und in seinem Genre ein kleiner Star in sozialen Netzwerken.

 

Ein wahrer Hype hat sich in den vergangenen Monaten um den jungen Mann entwickelt, er wirkt selbst ein wenig überrascht. Rund 270 000 Abonnenten für seine Facebook-Seite „Bugs and Science“, bis zu zwei Millionen Menschen schauen sich wöchentlich seine Clips an; an die 57 000 Follower auf Instagram, auf seinem Youtube-Channel „InsecthausTV“ rufen Hunderttausende seine Videos auf. Das Fernsehen von Markus Lanz bis Galileo klopft inzwischen an seine Tür .

Vor der Kamera lässt er spektakuläre Exemplare seiner Zucht über Hand und Gesicht krabbeln, zeigt jenseits der Insektenwelt auch einmal die größte Schnecke der Welt, deren Leib seinen halben Unterarm bedeckt. Er hat die weltgrößte Kakerlake im Programm, Riesenmotten so groß wie seine Gesichtshälfte ebenso wie alle möglichen Arten seiner großen Liebe: Gottesanbeterinnen. Ihnen vor allem widmet er seit Jahren seine ganze Leidenschaft. Mittlerweile züchtet Adrian über 60 Arten. „Es ist eine Sucht, wie das Sammeln von Pokémon-Karten“, sagt er.

Er hat ein großes Wissen in seinem Fachgebiet angehäuft. „Ein Wissenschaftler in dem Sinne ist er zwar nicht, kennt sich aber wirklich gut aus“, sagt der Biologe Rolf Mörtter, der den 20-Jährigen im Rahmen einer naturwissenschaftlichen Jugend-AG am Naturkundemuseum Karlsruhe betreute. Dort arbeitete Adrian nach dem Hauptschulabschluss, baute nebenher seine Zucht und seine Online-Firma Insecthaus weiter aus, schreibt ein Buch und vertreibt inzwischen seine Nachzüchtungen an Privatkunden, an Händler, Forscher, Kunden in Deutschland und Europa, aber auch bis in die USA.

Deutscher Tierschutzbund sieht Haltung exotischer Insekten kritisch

Manche betrachten Adrians Art, mit den Insekten zu posieren, mit Skepsis. „Das Tier hat davon nichts“, sagt Martin Höhle, mit seiner Firma ThePetFactory einer von einer Handvoll Großhändlern unter anderem von solchen Schauinsekten. Das Interesse an diesen Arten wachse aber in der Tat kontinuierlich, sagt er. Sie seien gute Einstiegstiere beispielsweise für Kinder. „Mit relativ geringem Aufwand und geringen Kosten können sie artgerecht gehalten werden.“

Der Deutsche Tierschutzbund findet das nicht und spricht sich ausdrücklich dagegen aus, exotische Insekten zu halten. Es gebe keine gesicherten Erkenntnisse, ob Insekten leiden oder nicht. „Da wir getreu dem Grundsatz ,im Zweifel für das Tier’ handeln“, steht unsere Position dazu auch für Insekten und Wirbellose fest“, sagt eine Sprecherin. Dass der Markt in diesem Segment wächst, vermutet aber auch sie. Valide Zahlen dazu gibt es nicht; auch der Verband deutscher Vereine für Aquarien und Terrarienkunde hat keine. Ein bis zwei Millionen Menschen hielten Insekten, schätzt Verbands-Vizepräsident Florian Grabsch.

Adrian ist sicher, dass seine Tiere entspannt sind. 90 Prozent der Kommentare unter seinen Clips und Posts seien positiv. In seinem Kellerraum reihen sich auf Holzregalen Plastikkästen und Glasterrarien aneinander, leise knurpselt die Riesenschabe vor sich hin. Es ist mäßig warm, es riecht nach nichts, aber hui! Wer sich den Scheiben nähert, sieht Spektakuläres. An Blättern oder Ästen hängen langbeinige Schönheiten, manche kopfüber, manche an den Untergrund geschmiegt. Die Gottesanbeterinnen sind grasgrün, gefleckt, getarnt wie ein welkes Blatt, wie Baumrinde oder weiß und zart aufgefächert wie eine wunderschöne Orchideenblüte. Rund 70 Arten hat der 20-Jährige gerade versammelt, etwa 700 Einzeltiere.

In Zoogeschäften Deutsch gelernt

„Ich zeige den Leuten Lebewesen, die sie noch nie gesehen haben“, sagt Adrian, er wird lieber mit seinem Vornamen angesprochen. Vor acht Jahren kam er mit seinen Eltern aus Polen nach Deutschland, die Sprache lernte er in Zoohandlungen, reinigte dort mit Feuereifer Terrarien, kümmerte sich um Fütterung und Pflege, knüpfte Kontakte, ging auf Tauschbörsen, Messen. Wann das alles anfing mit den Insekten - er weiß es nicht mehr. „Es gibt da keinen Anfang, das war immer so.“ Schon in Polen züchtete er Falter und Heuschrecken; in Deutschland begann seine Faszination für Gottesanbeterinnen. Zwei Hunde leben mit im Waldbronner Elternhaus, sie interessieren ihn null.

Zwei- bis dreimal pro Jahr reist Adrian nach Asien; vor allem in Thailand und Malaysia geht er auf die Suche nach Gottesanbeterinnen. Rund 3000 beschriebene Arten gebe es; sie seien fast alle nicht geschützt und könnten für die Nachzucht problemlos nach Deutschland eingeführt werden. Zehn bis 500 Euro kann so ein Tier kosten. Welche Umsätze er macht, verrät er nicht.

Warum er Gottesanbeterinnen so liebt, dafür findet er viele Worte. Die meisterliche Tarnung, die spannenden Häutungen der Tiere, die schier unendliche Farbigkeit und Vielfalt. Zu seinem Geburtstag hatte er auf Instagram einen Geburtstagskuchen mit schwarzen Gottesanbeterinnen auf weißem Zuckerguss gepostet. Auf Twitter ist Adrian übrigens auch, 88 Follower. Da geht noch was.