Eine neue Statistik zur Vermögensentwicklung der Amerikaner unterstreicht die prekäre Position von US-Präsident Obama. Das Land ist wieder auf dem Stand des Jahres 1992. Besonders betroffen ist die Mittelschicht.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Es sind nüchterne Zahlen, doch sie haben in den Vereinigten Staaten großes Aufsehen erregt. Zwischen 2007 und 2010 ist der Wohlstand der Amerikaner um fast 40 Prozent eingebrochen, sagt eine in dieser Woche veröffentliche Erhebung der amerikanischen Notenbank. Anders ausgedrückt: Im Gefolge der globalen Finanzkrise sind in den USA zwanzig Jahre Vermögenszuwachs einfach weggefegt worden. Das Land ist heute wieder auf dem Stand des Jahres 1992. Besonders betroffen war die Mittelschicht.

 

Das mittlere Vermögen der amerikanischen Haushalte, also der Wert, bei dem die Hälfte der Bevölkerung reicher ist und die andere Hälfte ärmer, ist inflationsbereinigt in dieser Zeit von 126 400 Dollar (rund 101 000 Euro) auf 77 300 Dollar (rund 61 800 Euro) gesunken. Die Zahl setzt sich aus dem Wert des gesamten Besitzes vom Haus über das Auto bis zu den Konten abzüglich vorhandener Schulden zusammen.

„Wir waren im freien Fall“

Dieser Absturz erklärt viel von der hartnäckig düsteren Stimmung in den USA, einem Land, in dem sonst unerschütterlicher Optimismus den Zeitgeist bestimmt. Wenn man diese Zahlen sieht, dann versteht man besser, gegen welchen psychologischen Gegenwind Barack Obama anzukämpfen hat. „Den radikalen Zusammenbruch der Wirtschaft kann man gar nicht überschätzen“, sagt Mark Zandi, der Chefökonom der Ratingagentur Moody’s: „Wir waren im freien Fall.“

Immer noch geben zwar die meisten Wähler den Republikanern unter George W. Bush die Schuld an der großen Krise, aber Hoffnung und Wandel, wie sie Obama versprochen hat, sehen für sie anders aus. Die Daten sind wegen der komplizierten Erfassung schon achtzehn Monate alt. Doch seither hat sich nicht viel geändert. Der totale Absturz ist gestoppt, aber die breite Masse der amerikanischen Bevölkerung sieht bis jetzt keinerlei Chance, dass ihr Leben in den kommenden Jahren zu dem langfristigen Aufschwung zurückkehrt, der unter dem damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton in den 90er Jahren begonnen hatte. Natürlich spiegelt der Einbruch auch viele Buchwerte wider, die den alltäglichen Lebensstandard nicht immer unmittelbar beeinflussen. In die Berechnung fließen besonders stark Immobilienwerte und Aktiendepots ein, die von der Krise überdurchschnittlich gebeutelt wurden. Das mittlere Einkommen hat sich im selben Zeitraum mit einem Minus von acht Prozent nicht ganz so drastisch verringert. Die Amerikaner können also, wie etwa die jüngst stark gestiegenen Autoverkäufe zeigen, durchaus noch konsumieren.

Besonders gebeutelt sind Afroamerikaner und Latinos

Viele haben in den vergangenen Jahren auch ihre Kreditkartenschulden reduziert. Doch der langfristige Vermögensaufbau, der immer ein Markenzeichen des amerikanischen Traums war, ist für viele Menschen in der Mittel- und Unterschicht zum Stillstand gekommen. Inzwischen können 56,7 Prozent der Bevölkerung gar nichts mehr zur Seite legen. Besonders gebeutelt sind Afroamerikaner und Latinos, also die Bevölkerungsgruppen, die vor der Krise gerade erst dabei waren, an die Wohlstandsentwicklung des übrigen Landes Anschluss zu gewinnen.

Ironischerweise hat aber der an den Aktienmärkten besonders gravierende Einbruch die soziale Ungleichheit in den USA, die in den vergangenen Jahrzehnten drastisch angewachsen war, vorübergehend etwas verringert. Die Wohlhabenden, die prozentual einen größeren Teil ihres Vermögens an der Wall Street angelegt hatten, sahen dies deutlich abschmelzen. Doch im Gegensatz zu Otto Normalverbraucher, der weiter an den in den drei Jahren des Betrachtungszeitraums um ein Drittel eingebrochenen Häuserpreisen leidet, haben die Reichen dank steigender Kurse kräftig aufgeholt.