Das Design gilt bei Autos inzwischen als Kaufgrund Nunmer eins. Um so mehr kann sich ein Missgriff rächen – einst bei der Mercedes E-Klasse, nun auch beim neuen Skoda Octavia?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Vergleiche mit Mercedes fielen für Skoda oft schmeichelhaft aus. Immer wieder einmal bescheinigten Autotester der tschechischen VW-Tochter, ihre Spitzenmodelle reichten nahe an die Marke mit dem Stern heran. Neuerdings ziehen Kunden aber auch eine negative Parallele: Wie vor einigen Jahren die Stuttgarter seien die Autobauer aus Mlada Boleslaw gerade dabei, den Erfolg ihres wichtigsten Modells durch einen Missgriff beim Design zu gefährden. Was Mercedes mit der E-Klasse hinter sich habe, stehe Skoda nun womöglich mit dem Octavia bevor.

 

Anlass ist die umfangreiche Überarbeitung des beliebten Familienautos, dessen dritte Generation Anfang nächsten Jahres zu den Händlern rollt. Ende Oktober wurden die ersten offiziellen Fotos zum Facelift veröffentlicht. Sie zeigen eine Linienführung, die laut Skoda „weiter kraftvoll gestrafft“ wurde, vor allem vorne. Der auffälligste Unterschied: Wo es bisher zwei durchgehende Scheinwerfer gab, bilden nun zwei geteilte „ein Vier-Augen-Gesicht mit kristallinem Look“. Das Markenlogo mit dem geflügelten Pfeil gewinne so „noch mehr Präsenz“, schwärmen die PR-Texter, die gesamte Front wirke „kraftvoller, charaktervoller und breiter“. Derart aufgefrischt werde der Bestseller, „das Herz der Marke“, seine Erfolgsfahrt fortsetzen.

„Das ist ein Griff in die Kloschüssel“

Doch die Begeisterung der Marketingleute wird von vielen Skoda-Kunden nicht geteilt. Auf ihrer Facebook-Seite und in anderen Internetforen ernten die Tschechen zwar meist Lob für die technischen Verbesserungen oder die Überarbeitung des Innenraums, das neue „Gesicht“ des Octavia aber stößt überwiegend auf vehemente Ablehnung. Fans der Marke zeigen sich nachgerade entsetzt, wie man „ein schönes Auto so verunstalten“ könne. Die neue Front wirke „verbastelt“ und „einfach nur hässlich“, die Doppelleuchten passten optisch überhaupt nicht. Den Designern sei damit „der berühmte Griff in die Kloschüssel gelungen“. Zu bedauern seien die armen Händler, die „das Monster“ demnächst verkaufen müssten.

Immer wieder fühlten sich Kritiker an die einstige E-Klasse erinnert. Vor Jahren habe Mercedes mit einer ganz ähnlichen Front danebengegriffen – und das prompt korrigiert. Was dort als „progressive Formensprache mit klar herausgearbeiteten Signaturen“ bejubelt wurde, fand bei den Kunden weniger Gefallen. Auch konzernintern war man nicht glücklich damit, der Verkauf lief enttäuschend. Nach nur vier Jahren wurde die E-Klasse grundlegend erneuert, mit einem Aufwand von angeblich einer Milliarde Euro. An der Front prangten fortan wieder zwei Scheinwerfer, die fremdelnden Kunden kamen zurück.

Autobauer bei Modellpflege unter Zugzwang

Der Fall zeigt, wie wichtig das Fahrzeugdesign für den Erfolg eines Automodells ist. Seit einigen Jahren stehe es „auf dem ersten Platz bei der Gewichtung der Kaufgründe“, sagt Lutz Fügener, Professor für Transportation Design an der Hochschule Pforzheim; zuvor war es die passive Sicherheit. Für die Designer sei das ein schöner Erfolg, sie hätten in den vergangenen Jahren „deutlich an Qualität zugelegt“, lobt Fügener. Die Verschiebung habe aber auch damit zu tun, dass es am Grundkonzept von Personenwagen seit Jahren kaum Änderungen gebe. Eine Ausnahme bilde der Smart mit seiner eigenen Raumlösung, die Hybridtechnologie sei von außen nicht sichtbar. So ließen sich die Kunden „die kleinsten Änderungen als sensationelle Innovation“ verkaufen. Bei den Elektroautos von Tesla hingegen rede niemand über die Leuchten, da gehe es „um viel grundsätzlichere Dinge“.

Die Dominanz des Designs setzt die Autobauer unter Zugzwang. „Die Logik des Marketings verlangt ständig neue Modelle“, sagt Fügener. Bei weitgehend identischer Technik müssten sich die Hersteller eben irgendwie unterscheiden: „Ein gutes Auto kann man nicht einfach so lassen, wie es ist.“ Nur selten traue sich ein Hersteller, diese meist selbst geschaffenen Zwänge zu durchbrechen – wie etwa beim aktuellen VW-Bus mit seinem „zeitlosen Design“. Da seien beim jüngsten Wechsel „nur ein paar Details“ verändert worden, aus seiner Sicht zu Recht, meint der Professor.

Skoda und Professor optimistisch

Auch viele Skoda-Kunden monierten, beim Octavia hätte man die Hülle besser unverändert gelassen. Nicht ohne Grund hatte das Werk des viel gelobten Design-Chefs Jozef Kaban etliche Preise gewonnen, alleine dreimal den renommierten Red Dot Award. Doch die deutsche Zentrale in Weiterstadt bei Darmstadt verteidigt die „Weiterentwicklung“ unter Kabans Regie. Im Netz werde das neue Gesicht „sehr intensiv diskutiert“, bestätigt ein Sprecher. Man beobachte das aufmerksam und nehme es „sehr ernst“. Ähnlich heftige Reaktionen habe es schon bei früheren Facelifts gegeben, so bei der zweiten Generation des Octavia oder beim Yeti; auch da ging es um die Form der Scheinwerfer. Beide Fahrzeuge hätten später „nahtlos an den Erfolg ihrer Vorgängermodelle angeknüpft“. Man sei sich sehr sicher, dass das auch beim neuen Octavia so sein werde – zumal wenn ihn die Kunden erst selbst in Augenschein nehmen könnten. Keineswegs, betont der Sprecher, lehne man sich bei der Front übrigens an die einstige E-Klasse an, da gebe es doch erhebliche Unterschiede.

Der Pforzheimer Design-Experte Lutz Fügener macht Skoda Mut. Er persönlich finde „die Vier-Augen-Lösung auch etwas gewöhnungsbedürftig, doch nicht ungekonnt“. Leider verhindere der massive Rahmen des Kühlergrills, dass die inneren Scheinwerfer mit dem Grill eine Einheit bildeten. Den Shitstorm im Internet dürfe man indes nicht überbewerten, mahnt der Professor. Kritik werde heute schnell geübt; es äußere sich aber kaum jemand, dem das neue Gesicht gefalle. Was zählt, sei letztlich die Kaufentscheidung – und da wage er eine Prognose: „Er wird sich besser verkaufen als der Vorgänger.“