Nächste Woche ist für die Städte Anmeldeschluss zum G9-Modellversuch. Das in der Koalition umstrittene Projekt führt zu neuen Irritationen innerhalb der Regierung.

Stuttgart - Das Staatsministerium pfeift das Kultusministerium beim Schulversuch zum neunjährigen Gymnasium zurück. Es solle die absolute Ausnahme bleiben, dass Schulen mit weniger als vier Zügen in das Projekt kommen, nur in Kommunen, in denen es keine vierzügigen Schulen gebe, könnten auch dreizügige Gymnasien teilnehmen, schrieb der Ministerialdirigent Claus Eiselstein am letzten Schultag vor den Faschingsferien an die Amtschefin des Kultusministeriums Margret Ruep. „Und des Weiteren“, so heißt es in dem Brief, „müssen diese kleinen Schulen dann komplett zu G 9 zurückkehren.“

 

So sehe es der Kabinettsbeschluss vor, beteuern nun Staatsministerium und Kultusministerium. Die SPD, die gerne den Versuch ausweiten würde, zeigt sich jedoch überrascht. Christoph Bayer, der Bildungsexperte der SPD-Fraktion nimmt die Nachricht „mit großem Erstaunen und einem Stück Verärgerung zur Kenntnis“, wie er der Stuttgarter Zeitung sagte. Er betrachtet die Aussage als „einseitige Interpretation des Staatsministeriums“, so sei der Beschluss nicht zu verstehen. Man müsse vielmehr Wege finden, den Schulversuch umzusetzen, „ohne ganze Regionen außen vor zu lassen“. Ins Hintertreffen käme vor allem Stuttgart mit vielen, aber kleineren Gymnasien. Der Plan, an den Gymnasien zwei Geschwindigkeiten zum Abitur einzuführen, dürfe nicht durch enge neue Interpretationen stranguliert werden, sagt Bayer.

Hinter den Kulissen kritisiert man ungenaue Absprachen

Hinter den Kulissen ist von ungenauen Absprachen und einem versteckten Dissens zwischen den Fraktionen die Rede. Dass dreizügige Gymnasien ganz auf G9 umstellen sollten, war öffentlich nicht thematisiert worden. Offiziell teilt das Kultusministerium mit: „Es gibt keinen Dissens zwischen dem Staatsministerium und dem Kultusministerium.“ Das Kultusministerium werde die Beschlusslage des Kabinetts umsetzen. Diese laute, Gymnasien mit weniger als vier Zügen pro Jahrgang „können in der Regel nur als reine G9-Schulen an dem Modell teilnehmen“.

Dass sich das grüne Staatsministerium überhaupt eine Woche vor Ende der Frist eingeschaltet hat, wird als Misstrauensvotum gegen die SPD-Kultusministerin verstanden. Doch die Regierungszentrale wiegelt ab. Man habe nur kurz vor der Umsetzung noch einmal darauf hinweisen wollen, dass Abweichungen von der Regel die absolute Ausnahme bleiben sollten, erklärt ein Regierungssprecher.

Die Empörung ist vor allem in Stuttgart groß. Martin Körner, SPD-Politiker und Bezirksvorsteher von Stuttgart Ost hat die Sache gestern öffentlich gemacht. Er warnt das Staatsministerium vor einer Blockade des G9-Schulversuchs in Stuttgart. Körner argumentiert: „Wenn sich das Staatsministerium gegen das Kultusministerium durchsetzen sollte, kommt kein einziges der drei Stuttgarter Gymnasium und damit auch nicht das Zeppelin-Gymnasium am Stöckach zum Zug.“ Die neuen Vorgaben des Staatsministeriums, so Körner, kämen „einer Ohrfeige für die engagierte Lehrer- und Elternschaft am Zeppelin-Gymnasium gleich“. Und weiter: „Ich appelliere an die vier grünen Landtagsabgeordneten, das Staatsministerium zum Einlenken zu bringen und den Stuttgarter Gymnasien eine Chance zur Beteiligung am Bildungsaufbruch zu geben.“

Betroffen ist vor allem Stuttgart mit seinen kleinen Gymnasien

Dem Stuttgarter Schulträger ist der Vorgang „nicht bekannt“, wie die Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) auf Anfrage der StZ gestern sagte. „Für mich zählt, was vom Kultusministerium und vom Städtetag kommt – es gibt ja auch einen Kabinettsbeschluss.“ Der Städtetag hatte Anfang Februar seinen Mitgliedsstädten mitgeteilt, kleinere Schulen könnten in begründeten Einzelfällen Ausnahmen beantragen.

„Wir werden fristgerecht zum ersten März die Anträge unserer drei Gymnasien beim Kultusministerium einreichen und auch begründen, warum wir eine Ausnahmeregelung für Stuttgart fordern“, sagte Eisenmann. Bekanntlich sind weder das Zeppelin- noch das Leibniz- noch das Wilhelmsgymnasium vierzügig. Die Intervention seitens des Staatsministeriums befremde sie, so Eisenmann. Dies belege jedoch die Uneinigkeit zwischen Grünen und SPD in der Landesregierung. „Da wird Bildungspolitik auf dem Rücken unserer Eltern und Kinder gemacht – das ist nicht akzeptabel.“ Das Kultusministerium erklärt, am Antragsverfahren ändere sich nichts. Es werde Einzelfallprüfungen geben.