Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Das komplementäre Gegenstück zu diesem virilen, von Nebel- und Lichtwänden dramatisierten Testosteron-Tanz folgt auf den Fuß: In „Killer Pig“ - gezeigt wird eine eigens für Stuttgart abgewandelte Fassung des 2009 in Oslo uraufgeführten Stücks - lassen Eyal und ihr Partner Gai Behar sechs Amazonen aufmarschieren. Wobei: Zu Beginn tritt das Frauen- Sextett vor allem auf der Stelle, um dann zwischen roboterhaften Bewegungen auf Zehenspitzen und weit ausgreifenden Dehnungen von Rumpf und Gliedmaßen zu wechseln, dann werden Ballett-Floskeln genüsslich zerhackt, später glaubt man Spuren von Stammestänzen zu entdecken.

 

Kraftakt mit Handbremse

Bei der Musik greift das Künstler-Paar in die gleiche Schublade wie Shechter und unterlegt das Stück mit laut wummernden Elektro-Beats von Ori Lichtik. Schweinwerfer illuminieren die androgynen, von hellen Trikots überzogenen Körper zu Skulpturen - eine spacige Show ist das, die das Klischee von weiblicher Tanzästhetik dekonstruiert. Der Tanz ist intensiv, dennoch wird wie mit angezogener Handbremse agiert – eine verstörende Kombination, wobei „Killer Pig“ vor allem durch die Soundkulisse anstrengt. Auch wenn die körperliche Präzision bewundernswert ist, die Tänzerinnen einen wahren Kraftakt absolvieren: Ein Funke springt von diesen unterkühlten und ohne Höhepunkt auskommenden Tanzexerzitien nicht über.

Dies gelingt dem letzten Stück der Israel-Trilogie, und das beginnt schon in der Pause. Verloren steht Luke Prunty in schwarzem Anzug auf der Bühne und versenkt sich selig und mit unglaublichem Erfindungsreichtum im Kleinen wie im Großen in die gedämpften Cha-Cha-Cha-Rhythmen. Ein bezirzender Pausenfüller – wer erst spät wieder in den Saal kommt, hat Grund sich zu ärgern.

Einer platscht vom Stuhl

Dann geht das Licht im Saal aus, und Prunty bekommt endlich Gesellschaft. „Minus 16“, bereits 1999 uraufgeführt, vereint Auszüge aus mehreren Choreografien Naharins und ist zum Klassiker geworden, der immer wieder aufs Neue mitreißt. Die zu einem geweiteten Stuhlhalbkreis formierten Tänzer bewegen sich perfekt synchron, lassen den Tanz nach La-Ola-Art durch die Reihe fließen, nur den Letzten erreicht die Woge nicht mehr, weshalb er ein ums andere Mal vom Stuhl auf den Boden platscht. Dabei brüllen sie die Verse des Kinderliedes „Echad Mi Judea“ aus der Passach-Erzählung wie Krieger in die Welt, schließlich schleudern sie Kleider, Schuhe und womöglich all den religiösen Ballast in ihre Mitte.

Der von dunklen Percussion-Schlägen vorwärts getriebenen Raserei folgt ein entrückter, puristischer, weicher Pas de deux zu Vivaldis „Stabat Mater“. Es sind diese Brüche, die den Reiz des Stücks ausmachen, es ist aber auch sein nicht enden wollender Bewegungsfuror. So könnte man ewig dabei zuschauen, wie die Tänzer immer wieder neu ansetzen, zappeln, sich winden, ihre Glieder verdrehen, sich hinwerfen, wieder hochschnellen.

Gemeinschaft und Ausgrenzung, Zärtlichkeit und Aggression, Unterwerfung und Befreiung: Es geht in „Uprising“ um Bünde, Kameradenrituale, Männergeschichten. Shechter findet kluge Bilder, um die Spannungen zwischen Individuum und Gruppe, zwischen Animalischem und Menschlichen zu transportieren, auch wenn er dabei zu Wiederholungen neigt.

Amazonen und Killerschweine

Das komplementäre Gegenstück zu diesem virilen, von Nebel- und Lichtwänden dramatisierten Testosteron-Tanz folgt auf den Fuß: In „Killer Pig“ - gezeigt wird eine eigens für Stuttgart abgewandelte Fassung des 2009 in Oslo uraufgeführten Stücks - lassen Eyal und ihr Partner Gai Behar sechs Amazonen aufmarschieren. Wobei: Zu Beginn tritt das Frauen- Sextett vor allem auf der Stelle, um dann zwischen roboterhaften Bewegungen auf Zehenspitzen und weit ausgreifenden Dehnungen von Rumpf und Gliedmaßen zu wechseln, dann werden Ballett-Floskeln genüsslich zerhackt, später glaubt man Spuren von Stammestänzen zu entdecken.

Kraftakt mit Handbremse

Bei der Musik greift das Künstler-Paar in die gleiche Schublade wie Shechter und unterlegt das Stück mit laut wummernden Elektro-Beats von Ori Lichtik. Schweinwerfer illuminieren die androgynen, von hellen Trikots überzogenen Körper zu Skulpturen - eine spacige Show ist das, die das Klischee von weiblicher Tanzästhetik dekonstruiert. Der Tanz ist intensiv, dennoch wird wie mit angezogener Handbremse agiert – eine verstörende Kombination, wobei „Killer Pig“ vor allem durch die Soundkulisse anstrengt. Auch wenn die körperliche Präzision bewundernswert ist, die Tänzerinnen einen wahren Kraftakt absolvieren: Ein Funke springt von diesen unterkühlten und ohne Höhepunkt auskommenden Tanzexerzitien nicht über.

Dies gelingt dem letzten Stück der Israel-Trilogie, und das beginnt schon in der Pause. Verloren steht Luke Prunty in schwarzem Anzug auf der Bühne und versenkt sich selig und mit unglaublichem Erfindungsreichtum im Kleinen wie im Großen in die gedämpften Cha-Cha-Cha-Rhythmen. Ein bezirzender Pausenfüller – wer erst spät wieder in den Saal kommt, hat Grund sich zu ärgern.

Einer platscht vom Stuhl

Dann geht das Licht im Saal aus, und Prunty bekommt endlich Gesellschaft. „Minus 16“, bereits 1999 uraufgeführt, vereint Auszüge aus mehreren Choreografien Naharins und ist zum Klassiker geworden, der immer wieder aufs Neue mitreißt. Die zu einem geweiteten Stuhlhalbkreis formierten Tänzer bewegen sich perfekt synchron, lassen den Tanz nach La-Ola-Art durch die Reihe fließen, nur den Letzten erreicht die Woge nicht mehr, weshalb er ein ums andere Mal vom Stuhl auf den Boden platscht. Dabei brüllen sie die Verse des Kinderliedes „Echad Mi Judea“ aus der Passach-Erzählung wie Krieger in die Welt, schließlich schleudern sie Kleider, Schuhe und womöglich all den religiösen Ballast in ihre Mitte.

Der von dunklen Percussion-Schlägen vorwärts getriebenen Raserei folgt ein entrückter, puristischer, weicher Pas de deux zu Vivaldis „Stabat Mater“. Es sind diese Brüche, die den Reiz des Stücks ausmachen, es ist aber auch sein nicht enden wollender Bewegungsfuror. So könnte man ewig dabei zuschauen, wie die Tänzer immer wieder neu ansetzen, zappeln, sich winden, ihre Glieder verdrehen, sich hinwerfen, wieder hochschnellen.

Das Publikum macht sich lang

Beim grandiosen Finale verneigen sich Naharin und Gauthier Dance schließlich auf anrührende und begeisternde Art vor ihrem Publikum: Sie überlassen ihm die Show. Dazu schnappen sich die sechzehn Tänzerinnen und Tänzer je eine Zuschauerin aus den Rängen und führen sie zum Tanz auf die Bühne. Die überrumpelten Damen machen unerschrocken und tanzverzückt mit, sie schwingen die Hüften, wiegen sich im Cha-Cha-Cha, eine macht sich sogar wie die Tänzer auf dem Boden lang, streckt alle Viere von sich. Ja, es ist ganz offenbar: Stuttgart hat ein großartiges Tanzpublikum.

Weitere Vorstellungen: Theaterhaus, 8. Juli, 20.15 Uhr, 9. Juli, 19.30 Uhr http://www.stuttgarter-zeitung.de/thema/Gauthier_Dance