Selten haben sich Verwaltung und Stadträte gegenseitig solche Vorwürfe gemacht, wie am Dienstagabend. Die Diskussion über ein Bauvorhaben geriet dabei zu einer Grundsatzdebatte über die Gestaltung der Strohgäu-Metropole.

Ditzingen - Die Debatte der Stadträte dauerte schon eine ganze Weile an, da brachte der Bürgermeister Ulrich Bahmer die Diskussion über den umstrittenes Bau von vier Wohn- und Geschäftshäusern nahe des Rathauses aus seiner Sicht auf den Punkt. „Wo bleibt unsere Glaubwürdigkeit? Wenn wir im Nukleus der Stadt keine Innenverdichtung machen, wo denn dann?“, fragte er die Räte, nachdem er sie an ihren Grundsatzbeschluss der Innen- vor Außenentwicklung erinnert hatte. Wenig später wies dann der CDU-Rat Konrad Epple die Verwaltung darauf hin, dass die Verwaltung die Stadträte völlig unnötig zu einer Entscheidung dränge. „Mir platzt der Kragen“, schimpfte er. Der Bürgermeister wies daraufhin den Vorwurf zurück und warb zugleich für eine Rückkehr zur sachlichen Diskussion: „Es bringt nichts zu streiten. Das kann man entspannt sehen.“

 

Dabei geht es eigentlich doch um ein Bauvorhaben in der Kernstadt: Das Ludwigsburger Wohnbauunternehmen Strenger will hinter dem Rathaus, also im historisch gewachsenen Teil der Kernstadt sechs Häuser abreißen, um die Wohn- und Geschäftshäuser zu erstellen. Doch das wegen seiner Dimension umstrittene Projekt taugt zu einer Diskussion über die Stadtentwicklung – wie sich am Dienstag im Ausschuss für Technik und Umwelt zeigte.

Seit Juli sind die Pläne der Stadt bekannt. Die Argumente sind im Rat deshalb längst ausgetauscht. Das Vorhaben wurde, eben weil es umstritten ist, zur Klärung kritischer Punkte zurückgestellt. Zuletzt sollte die Verwaltung Gespräche mit weiteren Anwohnern führen, die Nachteile befürchten.

An den Positionen hat sich nichts geändert. Die Verwaltung ist seit jeher davon überzeugt, dass sich das Vorhaben städtebaulich in die Umgebung einfügt. Schließlich befinden sich dort bereits zwei Bankgebäude, die die Jahrzehnte alten Privathäuser der Umgebung überragen. Weite Teile des Gemeinderats sind zwar nicht gegen das Vorhaben, fordern vorab jedoch einen Bebauungsplan. Damit sollen die Eckpunkte für die städtebauliche Entwicklung des Quartiers festgelegt werden. Doch dessen Erstellung ist langwierig – zu langwierig, meint die Verwaltung. Zumal dessen Nutzen gering sei, weil sich im Gebiet in absehbarer Zeit wenig verändere. Zudem habe der Investor Strenger laut Bahmer einen Rechtsanspruch, zu bauen.

Zudem führte der Bürgermeister einen weiteren Aspekt gegen einen Bebauungsplan an. Wolle man die langfristige Entwicklung des Quartiers betrachten, müsse sinnvollerweise auch das Areal der Wilhelmschule einbezogen werden. Die Grundschule wird mittelfristig an die Konrad-Kocher-Schule verlagert. „Dann hat der Vorwurf Berechtigung, das Filetstück größtmöglich zu vermarkten“, verwies er auf die Spekulationen in der Stadt, die die Schulentwicklung seit jeher begleiten.

Die Stadträte sahen dies in weiten Teilen anders. Der CDU-Fraktionschef Rolf Feil etwa kritisierte die Verwaltung und den Investor, den Angrenzern zu wenig Zeit eingeräumt zu haben, sich mit den Plänen – und damit einhergehend der Möglichkeit zum Verkauf ihrer Grundstücke – auseinanderzusetzen. Die Fraktionschefin der Grünen, Doris Renninger, warb für den Bebauungsplan, um zu verhindern, dass die „Gewinnoptimierung“ bei der privaten Hand liege und allein die Kommune – etwa durch die Schaffung von Grünflächen – für das Allgemeinwohl verantwortlich sei.

Sie hielt den Gesetzesparagrafen über das Einfügen eines Objekts in die Umgebung „nicht für das richtige Instrumentarium“, eben weil strittig sei, ob sich das Vorhaben einfüge. Sie verwahrte sich zudem gegen Bahmers Vorwurf, die Verdichtung nicht zu wollen. Sie störe sich an der Dimension – die später auch der Sozialdemokrat Peter Czienskowsky kritisierte. Einzig Horst Kirschner (FW) sprach sich mit den Argumenten der Verwaltung gegen einen Bebauungsplan aus.

Letztlich stimmten acht Räte für den Antrag Renningers, einen Bebauungsplan aufzustellen, fünf dagegen. Das letzte Wort hat am Dienstag der Gemeinderat.