Vor einem Jahr haben zahlreiche Virenforscher ein Moratorium unterzeichnet: Sie wollten auf Experimente mit gefährlichen Erregern verzichten, um eine Debatte über den Umgang mit den Risiken zu ermöglichen. Nun beenden sie ihre Pause wieder.

Stuttgart - Die Natur, sagen Virenforscher, ist der größte Bioterrorist. Sie mischt das Erbgut der Erreger immer neu und kann dabei gefährliche Varianten erzeugen. Die Virologen wollen darauf vorbereitet sein und versuchen das Potenzial der Natur abzuschätzen. Vor einem Jahr schreckte sie jedoch eine öffentliche Debatte auf, und viele Vertreter des Fachs unterzeichneten ein Moratorium. Eine Ethikkommission hatte in den USA empfohlen, zwei Experimente geheim zu halten, in denen besonders gefährliche Varianten der Vogelgrippe gezüchtet worden seien, von denen man nicht wolle, dass sie in falsche Hände geraten.

 

In den Fachzeitschriften „Science“ und „Nature“ haben die Virologen dieses Moratorium gestern wieder für beendet erklärt. Das Ziel der Pause – den Regierungen Zeit zu geben, ihre Richtlinien zu überdenken – sei vielerorts erreicht. In einem Kommentar verweist das Journal „Nature“ jedoch auf Kritiker, die bestreiten, dass die Debatte vorangekommen sei. Die Argumente seien weiterhin „qualitativ“, was in der Sprache der Wissenschaft so viel heißt wie: „pauschal“. Allerdings ist die Luft aus der Debatte raus, seit „Nature“ und „Science“ Mitte vergangenen Jahres die Berichte der beiden umstrittenen Experimente veröffentlichten.

Die meisten Versuchstiere erholten sich von der Infektion

Vor der Publikation hatte sich das Gerücht verbreitet, dass die neuen Viren so tödlich seien wie die Vogelgrippe und zugleich so leicht von Mensch zu Mensch übertragbar wie die Schweinegrippe. Doch das stimmte nicht. Die Forscher hatten zwar einem Vogelgrippevirus eine neue Fähigkeit verliehen – normalerweise haben die Erreger Schwierigkeiten, sich in den Atemwegen von Menschen einzunisten, doch nach wenigen genetischen Veränderungen war das Virus auch für Säugetiere ansteckend –, doch mit diesen Mutationen war der Erreger auch schwächer geworden, so dass sich die meisten Versuchstiere von der Infektion erholten.

Einer der Unterzeichner des Moratoriums war Thomas Mettenleiter, der Leiter des Friedrich-Loeffler-Instituts, des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit. In seinem Institut wird nun auch wieder an Grippeviren bei Wildvögeln und Geflügel geforscht. Seine Mitarbeiter untersuchen vor allem, wann die Viren auf Schweine überspringen können.