Anderthalb Jahre lang ist die Veitskapelle in Mühlhausen saniert worden. Den Weihnachts-gottesdienst konnten die evangelischen Gläubigen nun wieder in der 600 Jahre alten Kapelle feiern.

Mühlhausen - Anderthalb Jahre lang mussten die evangelischen Gläubigen in Mühlhausen ihre Messen im Gemeindezentrum feiern. Denn seit Ostern 2011 war die historische Veitskapelle das Refugium der Statiker, Restauratoren und Denkmalschützer. Weihnachten 2012 feierte die Gemeinde wieder Gottesdienst in der ab 1380 errichteten und nun sanierten Kirche.

 

Pfarrerin Charlotte Sander freute sich, dass sie wieder in einer der ältesten Kirchen Stuttgarts, der Veitskapelle, predigen konnte: „Im Gemeindezentrum herrscht bei Gottesdiensten eine Atmosphäre wie im Wohnzimmer“, sagt sie. Die Akustik in der historischen Kapelle sei einfach besser. „Ich halte mich gerne in der Kirche auf, weil sie mit all den gemalten Heiligen so besonders ist.“

Wandmalereien in großer Vollkommenheit überliefert

Die Veitskapelle ist mehr als 600 Jahre alt. In den vergangenen 18 Monaten ist sie umfassend saniert worden. Die Arbeiten sind im Innenraum, abgesehen von der Elektrik, abgeschlossen. Die Kunsthistorikerin und Restauratorin Dörthe Jakobs vom Landesamt für Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Stuttgart war federführend bei den Arbeiten. Jakobs betont die kunsthistorische Bedeutung der Kapelle: „Die Wandmalereien sind in einer Vollkommenheit überliefert, die es woanders so nicht gibt. Es ist ein unglaublicher Befund.“ Um diesen für die Nachwelt zu sichern, war eine Vielzahl von Arbeiten nötig. Der Dachstuhl wurde saniert, der Außenputz entfernt und ein neuer nach mittelalterlichem Verfahren gemischt und aufgetragen. Das war laut Jakobs besonders aufwendig. „Sechs Leute haben den Außenputz wie im Mittelalter auf der Baustelle hergestellt und ihn von Hand aufgetragen.“ Zudem hatte sich über die Jahrhunderte auch der Innenputz mit den Malereien von der Wand gelöst. „Wir haben an einigen Stellen den Hohlraum aufgefüllt und den Putz befestigt.“ Außerdem wurden alle Malereien, Altäre und Statuen restauriert und eine neue Heizung eingebaut.

„Die gesamten Arbeiten waren eine große Herausforderung“, fasst es Jakobs zusammen. Insgesamt waren 20 Restauratoren im Einsatz. Die eingehende Untersuchung des Gebäudes hatte unter anderem ergeben, dass Balkenköpfe des Dachstuhls abgefault waren, sagt Jakobs. „Diese stammten zu großen Teilen noch von 1380. Die verfaulten Stellen wurden herausgesägt und durch ein gesundes Stück Holz ersetzt.“ Pfarrerin Sander beschreibt die unterschiedlichen Sichtweisen der Handwerker und des Denkmalamtes: „Nach der Bauart des Mittelalters hätte man die neuen Balken mit den alten durch Holzdübel verbinden müssen. Da haben aber die Denkmalschützer Zeter und Mordio geschrien.“ Statt der Holzdübel haben die Handwerker nun Schrauben verwendet. Jakobs sagt, dass das Hämmern die Bewegungen auf den Putz übertragen hätte und dadurch die Wandmalereien gefährdet gewesen wären. Diese geben aber der Kirche ihren besonderen Charakter.

Staub und Heizungsluft verschmutzten die Malereien

Laut der Pfarrerin war Mühlhausen zur Zeit der Reformation ein reichsunabhängiges Dorf, für das der Götzentagsbeschluss von 1537 nicht galt. Deshalb blieben die Wandmalereien in der Veitskapelle erhalten. „Mittlerweile waren sie durch Staub und die Heizungsluft verschmutzt. Mit Latexschwämmchen und Pinseln wurden die Staubpartikel kleinteilig abgenommen“, beschreibt Jakobs die komplizierte Restaurierung. Zuvor mussten die einzelnen Farbschichten kartiert werden.

Weitere Arbeiten stehen noch an. „Saniert werden müssen noch das Turmfundament und die Kirchenmauer“, sagt Sander. Die Kosten aller Arbeiten an der Veitskapelle beziffert Sander auf 2,5 Millionen Euro. 600 000 Euro sind bisher noch nicht finanziert. Bislang beteiligt haben sich an den Kosten der Bund, das Land, die Stadt, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit Geldern der Glücksspirale, das Landesamt für Denkmalpflege und der Förderverein, der 230 000 Euro gesammelt hat.