Die Murrhardterin Gabi Dietrich hat die ganze Welt bereist. Doch vor sieben Jahren hat sie ihren Platz gefunden: im Wolkenhof . Seither kommen Menschen aller Kontinente zu ihr und ihrer Familie, denn die Türen der Villa am Waldrand stehen für Gäste stets offen.

Murrhardt - In dem Haus möchte ich einmal leben“ – dieser Gedanke spukte Gabi Dietrich als Kind im Kopf herum, wenn sie zusammen mit ihren Eltern auf sonntäglichen Familienspaziergängen in dem Café, das damals im Wolkenhof eingerichtet war, einkehrte. „Ich habe mir dann immer vorgestellt, wie es wäre, dort zu wohnen“, erzählt die heute 49-Jährige.

 

Nun sitzt sie zusammen mit ihrem Mann Hannes Dietrich im lichtdurchfluteten Wintergarten des Wolkenhofes. Wie das gesamte im Jahr 1907 errichtete Haupthaus des Anwesens ist er im Jugendstil erbaut worden. Davor breitet sich der große Garten wie ein grüner Teppich aus. Zwischen den hohen Bäumen und Sträuchern, die ihn umgeben, lassen sich nur vereinzelt Ausblicke auf die Murrhardter Kernstadt erhaschen, die sich unterhalb des Hofbergs erstreckt, auf dessen Südhang das Anwesen liegt.

„Zu Lebzeiten des Erbauers Heinrich von Zügel war das ein Tennisplatz“, erzählt Hannes Dietrich. Wenn man im Wolkenhof wohne, komme man nicht umhin sich auch mit dem Leben und Wirken seines Bauherrn zu beschäftigen, meint der 55-Jährige. Und oftmals, wenn er auf die Terrasse hinausblicke, sehe er vor seinem inneren Auge Heinrich von Zügel, wie er mit einer Zigarre im Mund vor seiner Staffelei stehe und eines seiner impressionistischen Tiergemälde male. „Als wir vor unserem Einzug das gesamte Haus leer geräumt und renoviert haben, sind wir sogar noch auf ein paar Zigarrenschachteln von ihm gestoßen.“

Ihr Reihenmittelhaus war der Patchwork-Familie zu eng

Das war vor sieben Jahren. Damals ging Gabi Dietrichs Kleinmädchentraum in Erfüllung und sie zog mit ihrem Mann und ihren Kindern Raphael und Lelaina in den Wolkenhof – wider alle Vernunft, da sich das denkmalgeschützte Gebäude mit seinen hohen Räumen nur schwer beheizen läßt. Ihr Reihenmittelhaus in Murrhardt war der sechsköpfigen Patchwork-Familie zu eng geworden, zu der auch Hannes Söhne Benjamin und Raphael gehören. Zwar gingen Hannes Dietrichs damals bereits erwachsene Kinder längst ihre eigenen Wege, doch kamen und kommen sie regelmäßig auf Besuch.

Platz haben Dietrichs in dem 400 Quadratmeter großen Wolkenhof im Vergleich zu ihrem knapp hundert Quadratmeter großen Reihenhaus dafür nun wahrlich genug – mehr als sie für sich, ihre vier Kinder und fünf Katzen brauchen. Daher stehen die Türen des Anwesens Pensionsgästen stets offen. So ist es wie zu Lebzeiten Heinrich von Zügels ein Treffpunkt für Jung und Alt. Der Maler hatte im Jahr 1873 vom Verkaufserlös eines seiner Bilder das geschichtsträchtige Gelände auf dem Hofberg gekauft, das im Spätmittelalter der Sitz der Herren von Wolkenstein war, und dort 1907 das heutige Haupthaus als Sommerhaus für seine Familie errichten lassen.

Auch aus Japan, Brasilien und Australien reisen Gäste an

Noch heute ist der Wolkenhof in Familienbesitz. Dietrichs haben ihn lediglich gemietet. Nach wie vor zieht es auch Nachkommen des 1941 in München gestorbenen Impressionisten in die Geburtsstadt ihres Vorfahrens. Mitglieder der Zügel-Großfamilie sind aber nur ein kleiner Teil der zahlreichen Gäste, welche die Dietrichs Jahr für Jahr willkommen heißen und die teilweise weit gereist sind.

Beispielsweise beherbergte der Wolkenhof junge Pianisten aus Japan und Südkorea, die an der Internationalen Klavierakademie in Murrhardt teilgenommen haben. Aber auch Gäste aus Brasilien und Australien, die für Familientreffen nach Deutschland gekommen sind, hätten bereits im Wolkenhof Quartier bezogen.

„Früher bin ich in die Welt hinaus gegangen, jetzt kommt die Welt zu uns“, meint Gabi Dietrich dazu, die als Reise- und Verkehrskauffrau viele Länder bereist hat. „Es gibt wenige Plätze, wo ich noch nicht war.“ Doch nun habe sie ihren Platz gefunden: den Wolkenhof. Aus der Reisekauffrau wurde eine Pensionswirtin, die gemeinsam mit ihrem Mann, der ansonsten als Nachhilfelehrer tätig ist, auch Kunsthandwerkermärkte und Konzerte organisiert. Denn eines ist Dietrichs wichtig: Der Wolkenhof soll mit Leben gefüllt sein.

Doch der Wolkenhof ist nicht nur ein Idyll, wie neben der unter jedem Schritt knarzenden Treppe auch die Malersachen, die beim Besuch unserer Reporterin im Flur standen, verraten. Er ist, wie viele alte Häuser, auch ein immerwährendes Renovierungsprojekt, das dem Deutsch- und Geschichtslehrer Hannes Dietrich einiges an handwerklichem Geschick abverlangt – so sehr, dass viele den 55-Jährigen bereits für „den Hausmeister“ des Wolkenhofs halten, erzählt seine Frau und lacht.