Der Rilling-Nachfolger Hans-Christoph Rademann hat sein erstes Musikfest als künstlerischer Leiter der Bachakademie hinter sich, vor allem hat er als Dirigent, als Musiker sich dem Vergleich mit dem Vorgänger gestellt.

Stuttgart - Alleluia. Laudate Dominum. Mit diesem Ausruf endet Igor Strawinskis „Psalmensinfonie“. Mit ihr endete das Abschlusskonzert des Musikfests Stuttgart im Hegelsaal. Halleluja!

 

Das dürfte die angemessene Botschaft dieses Abends sein – ganz außermusikalisch gedeutet. Der Rilling-Nachfolger Hans-Christoph Rademann hat sein erstes Musikfest als künstlerischer Leiter der Bachakademie hinter sich, vor allem hat er als Dirigent, als Musiker sich dem Vergleich mit dem Vorgänger gestellt. Er fällt vorzüglich aus, obgleich gerade die Aufführung der Psalmensinfonie etwas zurück stand gegenüber den anderen beiden Werken an diesem Abend im Hegelsaal. Das will nun nicht viel heißen, denn diese dreisätzige Chorsinfonie aus der neoklassischen Phase des Komponisten, entstanden 1930, ist technisch heikel, bringt selbst prominente Ensembles und Dirigenten in Bedrängnis.

Gut, dass diese Gotteslob-Sinfonie so endet wie sie endet. Mit einem selbstvergessenen Schweben der Stimmen, leicht betupft von Harfen- und Klavierpunkten vor einem schillerndem Prospekt von liegenden Bläserakkorden. Das ist die Domäne von Hans-Christoph Rademann, der der Gächinger Kantorei einen von innen leuchtenden Klang entlockt. Deutlich wurde an Mischungen, Proportionen, Klangnuancen, Balancen gearbeitet, die Stimmgruppen verbinden sich im Tutti gut. Erst Einzellinien offenbaren, dass der Tenor ausbaufähig ist, auch im Bass muss noch geschmirgelt werden. In der verkleinerten Besetzung bei Schönbergs A-cappella-Geniestreich „Frieden auf Erden“ nach der Pause, war schon vieles wirklich herzerfrischend. Wenn das so weitergeht, dann stehen den Gächingern wieder glänzende Zeiten bevor.

Ein Gran zu viel Ausdruck

Das Strawinski-Stück – so paradox das klingen mag – litt an einem Gran von zu viel Ausdruck; die klassizistische Maske verlangt scharf geschnittene Züge und gleichzeitig eine gewisse Lakonie. Rademanns tiefschürfende Klanglotung nahm im dritten Satz der rhythmisch bewegten Form des Mittelteils den Hüftschwung – insgesamt waren die Tempi eine Spur zu sehr im Sicherheitsbereich. Die Holzbläser des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR mühten sich mit der Intonation und die Trompeten neigten zu vorwitzig schneidender Präsenz – das alles verdarb nicht den Eindruck engagierten Musizierens. Rademann scheint bei seinem RSO-Debüt rasch einen Draht zu den Musikern gefunden zu haben.

Abschluss und Neubeginn: das Konzert markierte gleichzeitig eine Akzentuierung der langjährigen Zusammenarbeit zwischen der Bachakademie und dem RSO, war Auftakt der dreiteiligen Reihe „Sakral modern“, die während der Saison geistliche Musik des 20. und 21. Jahrhunderts vorstellt. Das Portalwerk war Frank Martins hierzulande wenig zu hörendes Oratorium „In terra pax“. Frieden auf Erden: doch zunächst gibt Martin in seinem 1944/45 geschriebenen Werk dem Kriegslärm Raum. Rademann und das RSO, nun in voller Besetzung, wichen der opernhaft zugespitzten Dramatik nicht aus; auch für die fünf Vokalpartien war passend eine Wagner-gestählte Besetzung gefunden worden (Christiane Iven, Iris Vermillion, Lothar Odinius, Gilles Cachemaille, Andreas Scheibner). Diese theatrale Lesart packte durch Atem, genaue Gestaltung und den großen Bogen, den Rademann bis zum finalen Lob des Herrn zu schlagen verstand.

Wahrscheinlich hätte Frank Martins Oratorium besser den Abend beschlossen. Ein eingeschobener zwanzigminütiger Gesprächsblock mit dem ehemaligen Berliner Bischof Wolfgang Huber und dem Generalleutnant Richard Roßmanith über Krieg und Frieden in Zeiten des Syrien-Konflikts sowie dazugehörige Umbauten zwangen zur Abweichung von der ursprünglich geplanten Programmfolge. Am Rang von Rademanns Stuttgarter Einstand im chorsinfonischen Repertoire änderte das nichts.