Bei lauen Abendtemperaturen ist die Ludwigsburger Musiknacht ein Magnet für Besucher aus der ganzen Region gewesen. Wir haben uns ins Getümmel gestürzt.

Kurz vor 21 Uhr am Ludwigsburger Bahnhof: Ankunft einer S-Bahn aus Richtung Schwabstraße. Hoffnungslos überfüllt wie sonst nur an Werktagen, wenn die Beschäftigten aus der City abends zurückkehren oder nach einem Großereignis auf dem Stuttgarter Wasen. Diesmal haben jedoch die meist jungen Fahrgäste das gleiche Ziel in Ludwigsburg: Zielstrebig rennen sie zum Zentralen Omnibusbahnhof.

 

Kurz nach 21 Uhr leeren sich die vollen Busse an der Haltestelle „Rathaus“, und die Insassen eilen durch den Durchgang in Richtung Hintereingang zum Ratskeller und reihen sich ein in die lange Schlange derer, die pünktlich um 21 Uhr zum Verkaufsbeginn der „Bändele“ gekommen sind. Diese berechtigen zum Eintritt in elf Lokale in der Ludwigsburger Innenstadt. Dort spielen Live-Bands – vom Solokünstler bis zur zehnköpfigen Besetzung von „Friendly Elf“. Deren Name bezieht sich auf Elfen und nicht auf die Anzahl ihrer Musiker. Die Coverband übt offenbar in den historischen Ratskeller-Räumlichkeiten eine magische Anziehungskraft aus. Ohne groß zu überlegen, gehen viele Musikfans aller Altersgruppen einfach nach links, immer auf die treibenden Beats von Schlagzeug, E-Gitarre und Keyboard zu. Sie verwandeln binnen kürzester Zeit zu Hunderten den Saal in eine riesige Partyzone und tanzen begeistert zu 70er- und 80er-Jahre-Hits wie „We Built This City“.

Hunderte von Leuten genießen den Abend auf dem Marktplatz

Foto: Simon Granville

Nur wenige Gehminuten entfernt bietet sich später im „Ennui“ an der Seestraße ein völlig anderes Bild. Bei immer noch angenehmen Temperaturen lassen viele Gäste bei kühlen Getränken an Tischen das Leben in der abendlichen Fußgängerzone an sich vorbeiziehen. Die Musiker machen allerdings nach ihrem ersten Programm-Set gerade Pause, deshalb führt der Weg der Musik-Flaneure weiter in Richtung Marktplatz, wo im BarOn Solo-Künstler Paulo mit seiner Akustikgitarre auftritt.

Während der Musiker im Hintergrund Rio Reisers Traum vom „König von Deutschland“ interpretiert, genießen drei Freundinnen aus Ludwigsburg am Tisch vor dem Lokal gemeinsam den lauen Sommerabend. Sie haben bei einem Stadtrundgang viel über den historischen König von Württemberg erfahren und sind eher zufällig bei der Musiknacht gelandet.

Etwas weiter auf dem Marktplatz bekommen Dutzende von Besuchern sogar ein Gratis-Konzert. Das „Cheval Vapeur“ an der Hospitalstraße fällt bei Tageslicht den Vorbeigehenden sicher gar nicht auf. Anders zur späten Abendstunde, wo die stimmungsvolle Beleuchtung Besucher in ihren Bann zieht. Nach 22 Uhr sind Reggae-Musiker John Noville und sein eritreischer Percussionist Saied bei ihrer aparten Cover-Version von „Don’t think twice“ schon in ihrem nächsten Set. „Ich spiele viel auf solchen Musiknächten“, berichtet John Noville. In Winnenden ist er schon aufgetreten, auch in Waiblingen oder Heilbronn. Im Sommer spielt er draußen bei der Ludwigsburger Weinlaube.

Der Reggae-Musiker John Noville im Cheval Vapeur

Foto: Simon Granville

Für Katja an der Kasse für den „Bändchen“- Verkauf ist es dagegen das erste Mal, dass sie in dieser Funktion arbeitet. „Ich bin eher zufällig durch meine Partnerin dazu gekommen“, lacht sie. Die blonde junge Frau würde im „Ennui“ Kassendienst machen, verrät ihre dunkelhaarige Freundin noch.

Dorthin soll auch der Weg auf dem musikalischen Rundgang später wieder führen. Doch zunächst geht es in den Kunstverein im MIK an der Eberhardstraße. In diese größere Location passen zwar nicht so viele Besucher wie in den Ratskeller, begeisterte Fans des multinationalen Trios von Red Lounge und seiner faszinierenden Mischung von Jazz, Soul und Latin sind sie allemal. Das Outfit etlicher Besucher ist edler als in anderen Locations. Bei den Damen sind einige sogar in Kostüm oder Kleid erschienen, auch Herren mit weißem Hemd sind zu sehen.

Livemusik mit Soultrip gibt es im Ennui an der Seestraße.

Foto: Simon Granville

Kurz vor 23 Uhr am „Ennui“ trifft man Katjas blonde Freundin wieder, die lachend berichtet, dass es für sie es immerhin schon der zweite Einsatz bei einer Musiknacht gewesen sei. Das „Soultrip“-Trio, das außer an ihren Instrumenten auch als Vokaltrio mit einem Mix aus Balladen bis hin zur Partymusik beeindruckt, hat diesmal gerade seine Pause auf der Seestraße beendet und legt los mit ihrem nächsten Programmteil vor einem größeren Publikum drinnen. Draußen ist inzwischen Sperrstunde.

Zum Schluss gegen 23.30 Uhr doch noch einmal in den Ratskeller, wo mittlerweile beinahe sprichwörtlich die Luft brennt und die Tanzenden bis in den Vorraum mitgrooven. Zu vorgerückter Stunde bringt die Power-Band „Sex is on fire“ auf die Bühne und das Publikum im Riesen-Chor zum Mitsingen. Die geballte Kraft der Männerstimmen könnte jedem Männerchorleiter Tränen der Sehnsucht in die Augen treiben.

Zur Geisterstunde findet sich in der S-Bahn gut Platz. In der Bahnhofsunterführung hat nur ein einzelner VfB-Fan einen Gesang angestimmt.