"Integration", sagt Hibaoui, "fängt im Lokalen an." Darum will er Imame mit Institutionen vor Ort und ihren Vertretern vertraut machen. Wie funktioniert die Stadt? Wer das weiß, kann sich besser bewegen: auf andere zugehen und sich selbst zum Ansprechpartner machen. Nachfrage ist da. Kürzlich eilte eine Stuttgarter Schulleiterin nach einem Vortrag auf Hibaoui zu: Ob er Kontakt zu einem Imam vermitteln könne? Sie erhofft sich Hilfe, um einen anderen Zugang zu jugendlichen Migranten zu bekommen.

Es bleibt nicht nur bei einem Kulturschock


Solche Kontakte, die womöglich in gewinnbringenden Begegnungen münden, sind noch immer die Ausnahme, nicht die Regel. Das hat viele Gründe. Etwa 2000 Imame sind derzeit an ungefähr 2500 islamischen Einrichtungen bundesweit beschäftigt. Die meisten kommen aus dem Ausland: aus Bosnien, der Türkei, aus arabischen Ländern. Viele bleiben nur einige Jahre. Der Osnabrücker Sozial- und Religionswissenschaftler Rauf Ceylan hat kürzlich eine erste umfassende Untersuchung über die "Prediger des Islam" vorgelegt. Er zeichnet darin den Kulturschock der Importimame nach: Viele sind in Ländern herangewachsen, in denen die Meinungs- und Handlungsfreiheit eingeschränkt ist. Viele haben keine Vorstellungen von Religionsfreiheit im westlichen Sinne. Sie wissen nicht, was Säkularismus bedeutet. Oder sie wissen nicht, was diesen wiederum vom Laizismus, wie er in der Türkei offiziell propagiert wird, unterscheidet.

Es bleibt nicht bei dem einen Kulturschock, der oftmals in der Isolation der eigenen Gemeinde bewältigt werden muss. Generell sehen sich Imame in Deutschland zahlreichen Veränderungen ausgesetzt. Ihr Aufgabenfeld ist hier größer, als es in ihren Heimatländern traditionell gewesen ist. Dort fungiert ein Imam als Rechtsgelehrter, weniger als Psychologe, Begleiter, Seelsorger. Dort ist es nicht üblich, dass ein Imam die Strafvollzugsanstalt aufsucht, um muslimische Gefangene zu betreuen. Schon gar nicht müssen sich Imame dort mit den sozialen Verwerfungen von Migration befassen: mit Ehekrisen, Erziehungsproblemen, Jugendarbeitslosigkeit, Rentnersorgen.

Islamverbände im Umbruch


Wer einmal erlebt hat, wie sich ein türkischer Imam abstrampelt, um trotz seiner geringen deutschen Sprachkenntnisse mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, die ihrerseits nur über geringe türkische Sprachkenntnisse verfügen, der ahnt etwas von dieser zumeist unsichtbar schwelenden Misere. Im harmlosesten Fall redet man aneinander vorbei. Imame wie Redzep Sulejmani und seine Kollegen aus dem Kurs wissen, dass die unterschiedlichen Generationen ihrer Gemeinde unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen haben. Auch Abdelmalik Hibaoui weiß das. Als Imam hat er einen solchen Generationskonflikt innerhalb einer Gemeinde am eigenen Leib erfahren, als Mitarbeiter der Stabsstelle für Integration nimmt er nun solche Machtverschiebungen innerhalb der muslimischen Gemeinden von außen wahr: Die erste Generation, die ihre Moscheegemeinde einst als einziges Zentrum für geistiges und kulturelles Leben mitbegründete, sieht im Imam einen weisungsgebundenen Angestellten; er soll für sie die kulturelle Brücke zum eigenen Herkunftsland bewahren. Die zweite und dritte Generation hingegen hat Erwartungen an den Imam, die über die Räume der Moschee hinausweisen, hinein in die deutsche Gesellschaft. Die Gemeinden selbst, nicht nur die vieldiskutierten Islamverbände, sind im Umbruch.