Die Tierärzte in den serbischen Hochwassergebieten der internationalen Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ sammeln nicht nur Haus- und Nutztiere auf. Sie bekämpfen auch den drohenden Ausbruch von Epidemien.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Obrenovac - Verloren ragen die Tribünen des überschwemmten Stadions von Obrenovac aus dem braunen Fluten. Der prüfende Blick von Amir Khalil schweift über das trübe Wasser. Wenn der sinkende Pegel die Tierkadaver freilege, sei die Gefahr des Ausbruchs gefährlicher Viehseuchen wie Milz- oder Rauschbrand am größten, erklärt der aus Ägypten satmmende Tierarzt. „Es geht uns nicht nur darum, die Katzen von den Dächern zu hole, sondern um nachhaltige Nothilfe“, sagt der Leiter der Nothilfe der internationalen Tierschutzorganisation Vier Pfoten: „Denn Tierschutz in Katastrophengebieten kommt den Menschen zu Gute und dämmt die Seuchengefahr ein.“

 

Ob nach dem Tsunami in Sri Lanka, Taifun-Heimsuchungen auf den Philippinen Überschwemmungen in Pakistan, der Dürre in Kenia oder nun im von Hochwasserfluten geplagten Serbien: Weltweit müht sich die Tiernothilfe von Vier Pfoten darum, durch Naturkatastrophe bedrohte Tiere mit mobilen Kliniken, Notställen und der Futterverteilung zu retten, wieder aufzupäppeln und zu impfen. In solchen Situationen mangle es den Menschen oft an Mitteln, die eigenen Tiere zu versorgen, erklärt Khalil: „Gleichzeitig beraten wir die Veterinärbehörden, die oft kaum Erfahrung mit derartigen Katastrophen haben.“

Nur widerborstig lassen sich die Schweine impfen

Die schwarzen Wollschweine quicken verschreckt. Ihr Züchter Dragisa Pajitc dagegen ist hocherfreut über die Besucher mit den ersehnten Impfstoffen. „Gott sei Dank, da seid Ihr endlich“, begrüßt der Serbe auf seinem Hof die angereisten Vier-Pfoten-Veterinäre. Fast ein Drittel seiner 140 Tiere habe er durch das Hochwasser verloren, klagt der Landwirt. Die Schlammfluten, die seine Freilaufweiden und Felder überfluteten, sind mittlerweile abgetrocknet. Seine Tiere aber wirken angeschlagen. Heute seien bereits zwei Ferkel gestorben, klagt Pajtic und weist auf die leblosen Kadaver in der Scheune.

Nur widerborstig unterziehen sich Schweine dem rettenden Stich in ihren Nackenwulst. „Wir spritzen ein Breitbandantibiotikum zur Vorbeugung und ein Entwurmungsmittel“, erläutert Irene Redtenbacher. Neben der raschen Beseitigung von Kadavern sei die Impfung der überlebenden Tiere der wichtigste Schutz gegen den Ausbruch von Epidemien, erläutert die Wiener Tierärztin.

Die zurückgelassenen Tiere sind traumatisiert

Lang ist die Schlange der Wartenden vor der Futterausgabe am Jägerheim im Dorf Zvecka. „Zum Glück sind die hier“, sagt ein alter Mann und schlägt das Kreuz. Er hat gerade einen Sack Trockenfutter für seinen Hund erhalten. Mehr als 60 Tonnen Futter für Rinder, Schweine, Hühner, Hunde und Katzen hat Vier Pfoten für die Tiere in dem vom Hochwasser betroffenen Gebiete Serbiens bereits bereit gestellt.

Mit sicherer Hand vernäht die Tierärztin Marina Ivanova in der mobilen Notklinik in Zvecka eine frisch sterilisierte Hündin. Die meisten der Tiere würden wegen des verunreinigten Wassers an Magen- und Darmproblemen, Augenentzündungen oder Hautekzemen leiden, berichtet die Bulgarin: „Andere Tiere, die von ihren Eigentümern bei der Evakuierung zurückgelassen werden musste, sind einfach ausgehungert, vollkommen entkräftet, unter Stress und traumatisiert.“

Der Einsatz wird wohl noch einen Monat dauern

Im normalen Berufsalltag beschäftigen sich die beiden Männer mit der Sterilisierung und Pflege von Straßenhunden in den Straßenschluchten der Balkan-Metropolen Bukarest und Sofia. Doch in diesen Tagen treiben der rumänische Tierarzt Gabriel Igant und der bulgarische Hundefänger Pavel Angelov ihr Schlauchboot mit kräftigen Paddelschlägen durch die noch immer überfluteten und von der Zivilisation abgeschnittenen Straßenzeilen in den Vororten von Obrenovac. „Wir finden die Hunde überall, auch auf Balkonen und Dächern“, erzählt Angelov: „Sie werden verarztet, aufgepäppelt und dann in der Nähe des Fundorts wieder ausgesetzt.“ Der Einsatzleiter Khalil schätzt, dass die Nothilfemission von Vier Pfoten in Serbien noch mindestens einen Monat dauern wird.