Die Bahn drückt nach dem Volksentscheid bei S21 aufs Tempo. Doch noch sind viele Fragen offen.

Stuttgart - In genau acht Jahren sollen die ersten Züge in den neuen Stuttgarter Tiefbahnhof einfahren. Diese Ansage des Stuttgart-21-Sprechers Wolfgang Dietrich zeigt: Die Bahn will nach dem Votum des Volkes für einen Weiterbau des Milliarden-Vorhabens durchstarten.

 

Wann und wie wird weitergebaut?

Bahnchef Rüdiger Grube gewährt den Stuttgartern noch eine Weihnachtsruhe. Mitte Januar will die Bahn loslegen mit dem Abriss des Südflügels und den Baumumpflanz- und fällarbeiten. Das könnte neuen Ärger geben. Die Fällung von 25 Bäumen im Schlossgarten hatte vor gut einem Jahr zu gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt. Jetzt sollen 176 Bäume verschwinden. Auch das Grundwassermanagement - Voraussetzung für den Aushub der Grube für den Tiefbahnhof - soll abgeschlossen werden. Die Tunnelbauarbeiten sind für Mitte 2012 terminiert.

Was bedeutet die „Projektförderpflicht“?

In den S21-Verträgen haben sich Unterzeichner verpflichtet, das Projekt zu fördern. Doch sie verstehen etwas völlig anderes darunter. Die Grünen in der Landesregierung wollen vor allem darauf achten, dass der Kostenrahmen von maximal 4,5 Milliarden Euro gehalten wird. Die Bahn verlangt aber, dass nach der Volksabstimmung jetzt alle Vertragspartner an einem Strang ziehen. Eine „kritische Begleitung“ wie bisher reiche jetzt nicht mehr.

Was hat das mit der Kostenkalkulation zu tun?

Für die Bahn gehört zur Förderpflicht auch, dass das Land sich an etwaigen Zusatzkosten beteiligt. Bahnchef Grube meint: „Es darf sich keiner in die Ecke setzen und sagen „ich nicht““. Der Landtag und die grün-rote Koalition haben sich aber darauf versteift, keinen Cent mehr als den Landesanteil von maximal 930 Millionen Euro zu zahlen. Auch Stadt und Region Stuttgart sowie der Bund haben weitere Finanzspritzen ausgeschlossen. Die Bahn verweist für den Fall von Kostensteigerungen auf die Sprechklausel im Vertrag. Demnach müssten sich im Fall der Fälle alle Beteiligten darüber unterhalten, wie die Zusatzkosten entstanden sind und wer dafür aufkommt. Die Bahn will nicht allein auf Mehrkosten sitzen bleiben.

Wie hoch werden die Kosten derzeit kalkuliert?

Nach Berechnung der Grünen ist der Kostendeckel schon erreicht, nach Bahn-Angaben sind noch 400 Millionen Euro Puffer vorhanden - und das nach einer Vergabe von 50 Prozent aller Aufträge bis Ende des Jahres. Doch Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) verweist darauf, dass Risiken erfahrungsgemäß erst im Verlauf des bei S21 noch gar nicht substanziell begonnenen Bauprozesses auftauchen und dafür dann keine Vorsorge mehr bestehe.

Könnte in Stuttgart eine Bauruine entstehen?

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) befürchtet, mit einem Bahnhofstorso in der Landeshauptstadt dazustehen und dann Geld nachschießen zu müssen. Diese Angst hält Grube für unbegründet: Die Bahn sei zu einem zügigen Bau verpflichtet; „wir dürfen nicht unterwegs aufhören.“

Wie verhält sich jetzt das Aktionsbündnis gegen S21?

Wahrscheinlich wird sich die Bewegung der S21-Kritiker aufsplitten in einen kleinen harten Kern von Aktivisten und etlichen Organisationen, die weiter kritische Sacharbeit betreiben. Die Sprecherin des Bündnisses gegen Stuttgart 21, Brigitte Dahlbender, will als Landeschefin des Bundes für Umwelt und Naturschutz weiter den Finger in die Wunde legen. Als Kern des aktiven Widerstands könnten die „Parkschützer“ übrigbleiben. Ihr Sprecher Matthias von Herrmann versichert: „Wir stellen unsere Aktivitäten erst ein, wenn Stuttgart 21 beendet ist.“

Auf welche Bauzeiten müssen sich die Stuttgarter einstellen?

Die optimistische Prognose von acht Jahren für die Inbetriebnahme von S21 stellen die Gegner infrage. Dahlbender verweist auf das noch nicht einmal eröffnete Planfeststellungsverfahren für den Bauabschnitt zur Flughafenanbindung. Sie geht davon aus, dass die ersten Züge in 15 Jahren in die neue Station rollen. Erst dann können die Gleisflächen des derzeitigen Kopfbahnhofes beseitigt werden und mit neuen Parkanlagen sowie Wohn- und Geschäftshäusern bebaut werden.

Sollen die Bürger in die weiteren Planungen einbezogen werden?

Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) will noch im Dezember ein Dialogforum für die Bürgerschaft ins Leben rufen. Dabei soll unter Moderation eines Soziologen über Themen wie die Bauverpflanzungen diskutiert werden.