Robin Williams war einer der besten und erfolgreichsten Komiker Hollywoods. Am liebsten hat er vor laufender Kamera improvisiert, in den Drehbüchern ließ man Leerstellen für seine spontane Kreativität. Sein Tod im Alter von nur 63 Jahren reißt eine große Lücke.

Stuttgart - Ein Leben ohne Abschaltknopf muss schwierig sein. Der Schauspieler und Komiker Robin Williams besaß keinen, er lief rund um die Uhr – oder jedenfalls immer, wenn ihm jemand zuschaute – auf Hochtouren. Er war Improvisationsmaniker, Gagschnellfeuerschleuder, Parodienwunder und Zitatenjongleur, von keinem Drehbuch einzuschränken, von keinem Regisseur zu bändigen.

 

Wie es in ihm drin ausgesehen haben mag, in den Momenten ohne Publikum, hat man sich immer schon gefragt. Wer so witzig ist, haut ja meist mit jedem Gag einen Nagel mehr in die Bretter, die jene Tür geschlossen halten sollen, hinter der die Ungeheuer lauern. Nun ist, nachdem Robin Williams schon länger mit Depressionen und Alkoholabhängigkeit gekämpft hatte, die Tür einen Spalt zu weit aufgegangen. Am Montag hat er sich in seinem Haus in Tiburon, Kailfornien, wohl das Leben genommen.

Das Ultimatum der Komik

Dass er eine komische, brausende Urgewalt war statt eines gut funktionierenden Aufsagekünstlers fremder Gags, wurde schon bei der 1978 startenden TV-Sitcom „Mork vom Ork“ offenbar, seinem großen Durchbruch. Williams startete und gefährdete Arbeitstage damit, das Team zum Lachen zu bringen. Wenn dann die Kamera lief, musste man auf alles gefasst sein, am wenigsten aber auf jene Dialoge, die im Drehbuch standen. Bei „Mork vom Ork“ begann, was zu Williams’ Markenzeichen werden sollte: das Dreipünktchen-System im Drehbuch, das Einräumen von Freiraum für Improvisationen.

Einen zündenden Witz hinzubekommen oder unterzugehen, das ist das Zehnsekundentakt-Ultimatum, mit dem Stand-Up-Comedians arbeiten müssen. Robin McLaurin Williams, am 21. Juli 1951 in Chicago geboren, war Clubkomiker geworden, nachdem er ein Studium der Politikwissenschaft abgebrochen hatte. Den Druck, ein potenziell feindseliges und gelangweiltes Publikum andauernd neu von sich überzeigen zu müssen, hat er mit hinüber genommen ins Filmgeschäft.

Star und Schwachstelle

Dass er dort in den Achtziger- und Neunzigerjahren einer der größten Stars wurde, dass seine Filme zusammen über 3 Milliarden Dollar einspielten, lag nicht einfach daran, dass er ulkige Grimassen schneiden und haarsträubendes Zeug reden konnte. Es lag am unprofessionell Menschlichen dieses hochprofessionell Albernden. Man merkte, dass Williams die Rollen, die Ventilmöglichkeiten, den Kontakt zu uns dringend rauchte, dass es auch bei zweistelligen Millionengagen nicht ums Geld ging.

Diese Eigenart führt zur prägenden Widersprüchlichkeit seines Werks. Williams hat viele sehr unterschiedliche Klassiker gedreht, in denen man sich seine Rollen gar nicht anders besetzt vorstellen möchte: die des Militär-DJs in Barry Levinsons „Good Morning, Vietnam“ (1987), die des von Wahnvorstellungen geleiteten Obdachlosen in Terry Gilliams „König der Fischer“ (1991), oder jene des geschiedenen Vaters in „Mrs. Doubtfire“ (1993), der sich in der Verkleidung als Hausmädchen ins Leben seiner Kinder schmuggelt. Aber Williams ist auch die Schwachstelle in all diesen Filmen, die Sollbruchstelle, die gerade noch einmal hält.

Das Unglück und die Vorbereitung darauf

Denn man merkt ihm an, dass da immer noch anderes aus ihm herausplatzen möchte, dass er sich zügeln muss, nicht dem einen Charakter einen anderen hinterher zu jagen, nicht gleich alle Rollen selbst zu spielen. In Mike Nichols’ sehr gelungenem US-Remake der französischen Komödie „Ein Käfig voller Narren“ (1996) aber oder als Synchronstimme der mit Blick auf Williams’ Las-Vegas-Bühnenshow entworfenen Figur des Flaschengeistes in Disneys Zeichentrickfilm „Aladdin“ (1992) durfte Williams diesem Drang nach Wandelbarkeit und dem Hinaushüpfen aus engen Grenzen nachgeben.

Wenn er in anderen Filmen vor innerer Unruhe bebte, dann wirkte das nie wie Schauspielereitelkeit, sondern wie seelische Not: als sei ihm das Missverhältnis von Elend und Glück auf der Welt so präsent, dass er sich fast nicht zügeln konnte, so viele glücklich machende Gags wie nur möglich abzufeuern.

Ein Film füs Langzeitgedächtnis

Es ist also kein Zufall, dass seine größte Rolle in dem Film, der wohl am längsten überdauern wird, eine durchaus ernste ist: die des Ausnahmelehrer John Keating in „Der Club der toten Dichter“ (1989). In Peter Weirs kluger Edelschnulze leitet er seine Schutzbefohlenen nicht zu besseren Noten durch effizienteren Umgang mit dem Paukstoff, er versucht, sie auf das Leben vorzubereiten, vor allem auf die Tatsache, dass es keine Glücksgarantie gibt.

„Carpe diem“, predigt er, nutze und genieße den Tag, aber er meint das eben nicht als Aufforderung zum zügellosen Egoismus, sondern als Anregung zum Ausstieg aus dem Wettrennen um falsche Belohnungen. „Oh Captain! My Captain“ sprechen ihn die Schüler an, ein Gedicht von Walt Whitman zitierend, und die Nachricht von seinem Tod kommentierten in den sozialen Netzwerken viele Nutzer spontan mit diesen Worten. „Der Club der toten Dichter“ ist ein Film fürs Langzeitgedächtnis.

Ernst und Irrwitz

Zum Paradoxen an Williams gehört es, wie ruhig der unruhige Spaßobendraufsetzer werden konnte, wenn man die Herausforderung zum Komischsein ganz entfernte. In Krimis und Dramen hat ein paar wunderbare Porträts einsamer, verstockter, verzweifelter und bedrohlicher Typen geliefert, in Christopher Nolans „Insomnia“ (2002), in Mark Romaneks „One Hour Photo“ (2002) und Omar Naims „The Final Cut“ 82004) etwa. Dass ihn das Publikum in solchen Rollen nicht wirklich akzeptierte und er zugleich als Komödienstar an Zugkraft verlor, hat seine karrierelangen Probleme mit Alkohol und anderen Drogen wieder aufflammen lassen.

Aber auch wenn der für „Good Will Hunting“ (1997) mit dem Oscar als bester Nebendarsteller Belohnte keine Macht mehr im Zigmillionen-Budgetpoker um Rekordeinspielergebnisse war, für seine vielen alten Fans – zu denen viele Kollegen zählten – war er immer noch präsent. So, als könne er jeden Moment um die Ecke kommen und mit einem neuen Hit allen Hilfskomikern des neueren Gaudikinos zeigen, wie man den Wahnsinn der Realität wirklich mit Irrwitz kontert. Daraus wird jetzt nichts mehr.

Der große Pan

In den ersten Jahrzehnten nach Christi Geburt, so berichtet es der Historiker Plutarch, sei einmal ein griechisches Handelsschiff vor der Insel Paxos von der Stimme eines Unsichtbaren angerufen worden: sie sollten vor Palidos verkünden, der große Pan sei tot, der Hirtengott sinnlicher Vergnügungen, der Freund von Musik, Tanz und Ausgelassenheit. Als die Seeleute die Botschaft vor Palidos ausriefen, soll sich aus der Vegetation ein großes Seufzen und Klagen erhoben haben. Man muss nicht ganz und gar ein Feind des aktuellen Hollywood sein, um in der Nachricht vom Tod von Robin Williams ein Echo von „der große Pan ist tot“ mitschwingen zu hören, die Ankündigung, dass manches nicht mehr sein wird, was mal war.