Was tun, wenn man nicht weiterkommt? In Lindau lernen Nachwuchsforscher von Nobelpreisträgern. Eines der Themen ist die Weltgesundheit.

Stuttgart - Nervös gewesen sei sie nicht, sagt Sandra Chishimba, nachdem sie die Bühne verlassen hat. Sie gehörte zu den Nachwuchswissenschaftlern, die bei der Eröffnungsfeier der 61. Tagung mit der israelischen Nobelpreisträgerin Ada Yonath und dem Microsoft-Gründer Bill Gates auf dem Podium diskutierten. Sandra Chishimba betreibt Grundlagenforschung in Malaria am Erasmus Medical Center in den Niederlanden. Sie versucht herauszufinden, wann ein Mensch immun gegen die Krankheit ist.

 

Ihre Leidenschaft für das Thema Malaria rührt aus ihrer eigenen Geschichte. Als Kind erkrankte sie in ihrem Heimatland Sambia mehrmals an dieser Krankheit. Die Erfahrungen in Lindau sollen etwas Besonderes werden, sie will von den Nobelpreisträgern lernen, wie Forscher am besten mit Problemen umgehen. "Ausbilden - Inspirieren - Verbinden" lautet das Motto der diesjährigen Tagung. Besonders die Nachwuchswissenschaftler können dieses Motto in Lindau ausleben. "Jeder hängt mal in seiner Forschung fest. Hier können wir uns austauschen und neue Wege finden", sagt Kelly Quesnelle aus den USA. Wissenschaft werde glamourös in Lindau. Und das täte ihr auch mal ganz gut.

"Die Bedeutung der Wissenschaft ist explodiert"

Dieses Jahr sind 566 Nachwuchswissenschaftler aus 77 Ländern angereist. Damit ist dieses Treffen so international wie nie zuvor. Die wohl für diese Woche intelligenteste Stadt Deutschlands, wie Bettina Bernadotte, die Präsidentin des Rates der Lindau Nobelpreisträgertagung, in ihrer Eröffnungsrede sagte, empfängt außerdem 23 Nobelpreisträger der vergangenen Jahre. Sie werden Vorträge halten und mit den jungen Forschern diskutieren. Neben der Inspiration durch die Diskussionen will die Lindauer Stiftung gezielt den Austausch der Wissenschaftler untereinander fördern. "Verbindungen können helfen, Antworten und Lösungen zu bringen", sagte Bettina Bernadotte.

Auf die Internationalität in diesem Jahr sind die Organisatoren besonders stolz. Annette Schavan (CDU), die Bundesministerin für Bildung und Forschung, sagte: "Die Wissenschaftsgemeinschaft kennt keine nationalen Grenzen." So mache ihre Souveränität und ihre unbestechliche Intellektualität sie für die Politik zu einem wichtigen Gesprächspartner. "Sie steht im Dienste einer Diplomatie des Vertrauens." Diese Worte unterstrich auch der amerikanische Generalkonsul Conrad Tribble. "Die Bedeutung der Wissenschaft in den politischen Beziehungen ist in den letzten 20 Jahren explodiert", sagte er.

Forschungsprobleme in der dritten Welt

Dieses Jahr liegt bei dem Treffen ein besonderer Schwerpunkt auf Amerika und seinen jungen Forschern. Im kommenden Jahr wird es Singapur sein. Doch neben Bildung und den verschiedenen Ländern soll das Thema beim 61. Treffen die Weltgesundheit sein. Viele der jungen Forscher forschen an Krankheiten wie Malaria oder Aids, die eine zentrale Bedeutung für die Weltgesundheit haben.

Diese Forschung ist ein Schwerpunkt, den die Bill-and-Melinda-Gates-Stiftung besonders fördert. Für sein Engagement nahm die Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen Bill Gates im diesen Jahr in den Ehrensenat auf. In seiner Rede machte er besonders auf die Probleme in den Entwicklungsländern der Welt aufmerksam. "In armen Ländern funktioniert die Forschung nicht", sagte er. "Die Stimmen der Armen auf dem Markt sind leise." In der Podiumsdiskussion stellte sich Bill Gates den zentralen Fragen des Themas, etwa zu der Nachhaltigkeit der Forschung. Sollten Langzeitprojekte unterstützt werden oder ist es wichtig, schnelle Lösungen zu finden? "Wir brauchen Therapien und Impfungen", sagte Bill Gates. "In den Industrienationen funktioniert da die Balance gut."

Gates' Projekte seien einseitig, sagen Kritiker

Sandra Chishimba möchte auf die Zukunft blicken. "Forschung muss für die Zukunft sein", sagt sie. Die Entwicklungsländer bräuchten eigene Institute, so Chishimba. Und sie bräuchten den Austausch mit den Industrienationen. Die Nobelpreisträgerin Ada Yonath betonte die Bedeutung der Grundlagenforschung, besonders auf dem Gebiet der Antibiotikaresistenzen. Sie gewann 2009 den Nobelpreis in Chemie für die Entdeckung einer zentralen Funktionsweise der Ribosomen, die maßgeblich an der Proteinherstellung im Körper beteiligt sind. "Zu viele Menschen sterben an Infektionen, weil die vorhandenen Antibiotika nicht mehr wirken", sagte sie. So ist die Tuberkuloseforschung auch ein Aspekt der Weltgesundheit.

Intensive Diskussionen über Weltgesundheit und Finanzierungsprobleme gab es auch nach dem Gates-Auftritt. Dabei gingen die Meinungen auseinander. Gates sorgte für einen hitzigen Meinungsaustausch unter den jungen Wissenschaftlern. Viele von ihnen forschen in den von seiner Stiftung geförderten Malaria- oder Aids-Projekten. Sie fanden seinen Auftritt wichtig. Doch einige teilten die Meinung, dass er nur einseitig Projekte fördere. "Die Diskussion war oberflächlich und gestellt", sagte ein Nachwuchswissenschaftler aus Deutschland. Eigentlich hätte Bill Gates da wenig zu suchen gehabt. "Die Nobelpreisträger und andere Personen der Eröffnungsveranstaltung sind komplett untergegangen." So hätte Martin Engstroem, der ebenfalls in den Ehrensenat der Stiftung aufgenommen wurde, seine Ideen kaum präsentieren können. "Dabei war er viel interessanter", meinte einer der Forscher. Engstroem gründete das Verbier Festival zur Förderung junger Musiker und engagiert sich in der Bildung der Musiker. Er betonte, dass es wichtig sei, einander zuzuhören, ob in der Musik, der Politik oder der Wissenschaft.

Zum Zuhören und Austauschen werden Forscher und Nobelpreisträger bei den Veranstaltungen viel Zeit haben. Die Tagung endet am Freitag mit einem Ausflug zur Insel Mainau. Dort werden alle gemeinsam mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Ausstellung "Entdeckungen 2011" besuchen, die ein Teil der Veranstaltungen des deutschen Wissenschaftsjahrs ist. Auch dabei soll das Thema Weltgesundheit weiter diskutiert werden. Sandra Chishimba findet das gut. "Wir müssen über das Thema reden", sagt sie nach ihrem Vortrag. "Die Europäer müssen sich bewusst werden, wie weit sie es geschafft haben und wie weit die Entwicklungsländer davon entfernt sind."