Auf dem Weg zum Frieden in Syrien müsse man auch den Diktator mit einbeziehen, sagt Volker Perthes. Für den Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik gibt es aber auch eine klare Grenze: mit Terroristen dürfe nicht verhandelt werden.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Die Lage im Nahen Osten ist kaum mehr zu durchschauen. Selbst die Rolle der USA in der Region sei sehr unklar, sagt Volker Perthes, der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Nur in zwei Punkte sei Washington deutlich: im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat und in der Auseinandersetzung mit Iran.

 
Herr Perthes, Syrien hat einen Geldschein mit dem Porträt von Machthaber Baschar al- Assad gedruckt. Der Präsident scheint sich sicher zu sein, an der Macht zu bleiben.
Diese Aktion enthält tatsächlich zwei Botschaften. Zum einen bedeutet der Krieg für Syrien eine unheimliche Geldentwertung. Es hat noch nie einen Geldschein mit einem so hohen Wert gegeben. Zum anderen versucht der Präsident zu zeigen, dass er auch nach sechs Jahren Krieg noch immer der Präsident ist.
Die syrische Armee konnte zuletzt große Erfolge vorweisen, was das Regime stabilisiert. Hat sich der Westen damit abgefunden, dass Assad weiter an der Macht bleibt?
Die UN reden natürlich mit Assad – oder mit seiner Regierung. Es hilft ja nicht, nur mit den Personen zu verhandeln, die man nett findet. Man muss sich mit denen an einen Tisch setzen, die die Möglichkeiten haben, das Konfliktgeschehen zu beeinflussen – sofern sie nicht terroristische Organisationen sind. Ich erinnere an das sehr klare Mandat der UN: Gespräche zwischen der syrischen Regierung und der Opposition auf den Weg zu bringen, die zu einem dauerhaften Lösung führen.
Welche Linie verfolgen die USA aktuell in diesem Konflikt?
Ich wüsste auch gerne, welche Strategie die USA gegenüber Syrien oder dem Nahen Osten verfolgen. Wir können nur feststellen, dass der Sturz Assads für Donald Trump nicht wirklich wichtig ist. Es scheint, als habe der US-Präsident im Nahen und Mittleren Osten zwei Prioritäten. Das ist zum einen der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat – und in diesem Fall ist die von den USA geführte internationale Koalition sehr erfolgreich. Das Zweite ist die Auseinandersetzung mit Iran. Ich denke aber, dass es auch viele Fachleute in der US-Regierung gibt, die sich sehr viele Gedanken über eine zukünftige politische Lösung des Syrien-Konfliktes machen. Wenn der IS zerschlagen ist und es kein Ende der religiösen und politischen Polarisierung in der Region gibt, dann müssen wir davon ausgehen, dass es demnächst eine Art IS 2.0 gibt. Denn die Ideologie wird nicht besiegt sein, auch wenn sie keine territoriale Basis mehr hat.
Neben den USA und Russland ist Iran einer der wichtigen Staaten in diesem Krieg. Teheran hat gegenüber Saudi-Arabien deutlich an Einfluss in der Region gewonnen. Haben die Saudis den Konflikt „verschlafen“?
Verschlafen hat keiner in der Region den Konflikt – im Gegenteil, alle waren ziemlich wach dabei. Vielleicht ist das auch eines der Probleme. Die Staaten sind sehr aktiv reingegangen, und jeder hat für eine der kämpfenden Gruppen Partei ergriffen. Iran war allerdings sehr früh und sehr viel risikofreudiger dabei, indem er eigene Militärberater ins Land geschickt hat.
Schaffen Sie es noch, alle Gruppen in diesem Krieg auseinanderzuhalten?
Bei den bewaffneten syrischen Gruppen ist es schwierig. Da bilden sich sehr häufig neue Milizen – auf der Regierungs- und auch auf der Oppositionsseite. Wir bei den UN unterscheiden zwischen Gruppen, die bereit sind, sich an politischen Verhandlungen zu beteiligen, und jenen, die nicht dazu bereit sind.