Der Streik im Nahverkehr geht heute in die zweite Runde. Wieder bleiben Busse und Bahnen der SSB in den Depots. Die S-Bahnen fahren jedoch.

Stuttgart - Mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß: Wer am Dienstag in Stuttgart unterwegs ist, muss in der Wahl seines Transportmittels wohl oder übel flexibel sein. Denn der Streik bei SSB, SVE und END geht in die zweite Runde. Wie am Montag bleiben alle Busse und Bahnen der SSB in ihren Depots. "Es ist genau wie gestern: Bei uns steht alles still", sagte eine SSB-Sprecherin am Dienstagmorgen. "Betroffen sind alle Stadtbahnlinien, die Zahnradbahn, die Seilbahn sowie die Busse der SSB, SVE (Linien 101, 102, 103, 105, 115, 118) und END (Linien 119, 120, 121)", schreibt der VVS auf seiner Webseite.

 

Ausnahmen sind die von der Deutschen Bahn betriebenen S-Bahn-Linien und diejenigen Buslinien, die von privaten Anbietern angefahren werden. Dazu gehören die Linien 36, 38, 66, 67 und 98, sowie die Buslinie 94 nur tagsüber.

Besitzer von Wochen-, Monats- oder Jahrestickets können kein Geld zurückverlangen, auch wenn sie wegen ausgefallener Busse und Bahnen vielleicht ein Taxi nehmen müssen. Denn Streik fällt laut SSB unter die Kategorie "Höhere Gewalt". Der VVS weist aber darauf hin: "Fahrgäste mit Zeittickets (Verbundpass und Wertmarke), die aufgrund des Streiks auf andere öffentliche Verkehrsmittel ausweichen und dafür andere Tarifzonen, die nicht im Verbundpass eingetragen sind, nutzen müssen um Ihr Ziel zu erreichen, dürfen dies ohne Aufpreis bzw. ohne zusätzliches Ticket tun."

Online-Reaktionen

Viele verärgerte Fahrgäste machen ihrer Unzufriedenheit auf der Facebook-Seite des VVS Luft. "Ich finde, sowohl VVS als auch Arbeitnehmer verhalten sich hier unangemessen. Die Angestellten wollen mehr Lohn - Hauptargument: Man trägt in diesem Beruf viel Verantwortung für die Fahrgäste. Dann frage ich aber mal: Zwei komplette Tage das ganze Netz bestreiken, obwohl viele Menschen darauf angewiesen sind, bei schlechtem Wetter in der kalten Jahreszeit - wo bleibt da das Verantwortungsbewusstsein?" Und auch die SSB muss auf Facebook so manche Kritik einstecken. "Ganztags zu streiken und dann noch zwei Tage ist eine absolute Dreistigkeit."

Doch es gebe auch Stimmen, die Verständnis für den Ausstand zeigen, heißt es von der SSB. "Die Reaktionen sind da sehr gemischt." Und das sei ganz natürlich. "Immerhin muss man bei einem Streik mehr organisieren, das belastet den Alltag."

Verstopfte Straßen

Für Stress sorgten am Dienstagmorgen auch wieder die verstopften Straßen. Von sieben Uhr  bis 9.40 Uhr sei das Verkehrsaufkommen erheblich höher als normal ausgefallen, teilte die Polizei mit. In dieser Zeit waren denn auch alle großen Einfallsstraßen verstopft und es kam zum Teil zu erheblichen Rückstaus. Besonders voll sei es auf der B14 (ab Schattenring stadteinwärts), B10/B14 (ab Wangen stadteinwärts), B10/B27 (stadteinwärts), B27 (ab Degerloch stadteinwärts) und B295 (ab Ditzingen Richtung Feuerbach) gewesen. Auch die Innenstadt war zeitweise überfüllt. Mittlerweile hat sich die Situation aber wieder beruhigt. Erst für den Feierabendverkehr rechnet die Polizei wieder mit Beeinträchtigungen.

Auch die Zahl der Unfälle habe sich am Dienstag in Grenzen gehalten. Das sah am Montag noch ganz anders aus. "Gestern gab es allein in den vier Stunden am Vormittag so viele Unfälle wie sonst an einem ganzen Tag", sagte eine Polizeisprecherin. Schuld daran seien wohl das hohe Verkehrsaufkommen und die nassen Straßen gewesen.

Auch die Taxis waren am Dienstagvormittag wieder im Dauereinsatz. Man habe die Situation aber besser im Griff gehabt, sagte Georgios Natsiopoulos von der Taxi-Auto-Zentrale. Außerdem sei die Nachfrage nicht mehr so extrem wie am Montag gewesen. "Bis Montagmittag hatten wir 12.000 Fahrten. Normalerweise liegt der Wert bei 10 bis 11.000 Fahrten, aber in 24 Stunden" - da sei es zwangsläufig zu Wartezeiten gekommen. Am Dienstag sei die Chance auf ein Taxi besser gewesen. Den nächsten Ansturm erwartet Natsiopoulos erst gegen Abend.

Kürzere Schichten und Weihnachtsgeld

Mit dem Ausstand will Verdi Bewegung in die festgefahrenen Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im kommunalen Nahverkehr bringen. Die Gewerkschaft verlangt kürzere Schichten, volles Weihnachtsgeld, 30 Tage Urlaub für alle unabhängig vom Alter sowie Vorteile speziell für Verdi-Mitglieder. „Wir wollen nicht streiken, wir wollen ein anständiges Verhandlungsergebnis“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Rudi Hausmann. Die Gewerkschaftsmitglieder seien aber seit Montagmorgen zur Urabstimmung aufgerufen. Stimmen mehr als 75 Prozent von ihnen zu, ist der Weg für einen unbefristeten Streik frei.

Der Vorsitzende des Kommunalen Arbeitgeberverbands (KAV), Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne), hatte in der vergangenen Woche die Verdi-Forderungen zurückgewiesen: Sie bedeuteten für die Kommunen Mehrkosten von 7 bis 10 Prozent bei den Gehältern. Die Arbeitgeber hätten in den Tarifverhandlungen bereits weitgehende Zugeständnisse vor allem beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemacht, sagte Salomon. Ein Streik im öffentlichen Nahverkehr sei „Wasser auf die Mühlen derjenigen, die öffentlichen Personennahverkehr in kommunaler Regie als ein antiquiertes Museumsstück ansehen und einer Privatisierung das Wort reden“. Der Kommunale Arbeitgeberverband kritisiert den Ausstand als „völlig überzogen“.

Reaktionen aus dem Netz als Storify