Die Möglichkeiten zur Erweiterung eines Penny-Markts werden jetzt von allen Seiten untersucht. Zuvor hatte es monatelang Streit um die Pläne gegeben.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Sechs Wochen lang hat Oliver Brock über diesen Schritt nachgedacht, am vergangenen Freitag ist die Entscheidung für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan gefallen. Die Böblinger Stadtverwaltung hatte dem Eigentümer der Immobilie an der Schönaicher Straße dieses spezielle Verfahren vorgeschlagen. Damit könnten alle offenen Fragen transparent geklärt werden, erklärt der Stadtsprecher Wolfgang Pfeiffer. Das einstige Autohaus ist bis zum Jahresende noch an den Penny-Markt vermietet. Oliver Brock wollte dort einen Neubau erstellen, um dem Supermarkt statt den bisherigen 550 künftig 800 Quadratmeter an Verkaufsfläche bieten können. Doch seine Erweiterungspläne verstoßen gegen den dort seit 1963 geltenden Bebauungsplan.

 

Der Neubau überschreitet die Baugrenze

Mitte April hatten sich Oliver Brock und die Verwaltung an einen Tisch gesetzt – nach einem monatelangen Streit. Der Immobilienbesitzer will mit seinen zwei Geschwistern das Gebäude an der Schönaicher Straße 50 abreißen und für rund zwei Millionen Euro einen Neubau erstellen lassen. Denn nur mit mehr Platz ist Penny als Mieter an der Stelle zu halten. Das Vorhaben überschreitet aber die Baugrenze, weshalb Nachbarn Einspruch einlegten. Wolfgang Lützner hatte parallel dazu einen ganz neuen Standort vorgeschlagen: Der Oberbürgermeister wollte den Supermarkt in den Murkenbachauen ansiedeln. Er fand es sinnvoller, gleich so groß zu bauen, dass sich die Filiale eines Tages auf 1200 Quadratmeter hätte ausdehnen können. Aber eine Bürgerinitiative sammelte 1600 Unterschriften für die Erhaltung der grünen Wiese – und die Mehrheit im Gemeinderat stimmte gegen die städtischen Pläne.

Wolfgang Lützner hatte argumentiert, die Nahversorgung an dem Standort „über einen längeren Zeitraum sichern“ zu wollen. Denn die Bedürfnisse der Lebensmittelhändler änderten sich seiner Erfahrung nach rasant: Während früher eine Verkaufsfläche von 450 Quadratmeter noch ausreichend war, sind aktuell 800 Quadratmeter üblich. „Die Tendenz geht zu noch größeren Einheiten“, meint der Oberbürgermeister. Nach Schätzungen des Amts für Stadtentwicklung und Städtebau sind in Böblingen bereits 22 Standorte aufgegeben worden, wo einst Lebensmittel verkauft wurden. Bewohner der Stadtteile Tannenberg, Waldburg, Grund und Diezenhalde müssen mittlerweile längere Fußmärsche zum nächst gelegenen Supermarkt in Kauf nehmen.

Schätzungen zufolge wurden 22 Geschäfte aufgegeben

„In Böblingen wird niemand verhungern“, betont Jörg-Michael Haas, die Versorgung mit Lebensmittel sei gesichert. Aktuell gibt es 18 Geschäfte dafür, wovon sich 13 in Wohngebieten befinden, zählt der Amtsleiter auf. Das Baurecht soll den Bestand schützen, indem Läden in dieser Lage eine Größe von 800 Quadratmeter nicht überschreiten dürfen, wenn sie damit einen Konkurrenten gefährden. Das stetig zunehmende Warenangebot und auch das Einkaufsverhalten der Kundschaft sind jedoch gleichzeitig dafür verantwortlich, dass der Flächenbedarf ständig steigt. Die Discounter weichen deshalb gerne in Gewerbegebiete aus, erklärt der Stadtplaner. An der Rudolf-Diesel-Straße hat sich beispielsweise Lidl die Vergrößerung seiner Verkaufsfläche auf 1600 Quadratmeter per Vergleich vor Gericht erkämpft.

Eine Fehlentwicklung sieht Jörg-Michael Haas nur an einer Stelle: Der flächenmäßig alles überragende Real-Markt auf der Hulb hätte nicht genehmigt werden dürfen – was aber schon vor mehr als 40 Jahren geschehen ist. Im Stadtteil Dagersheim hat der Gemeinderat kürzlich den Weg frei gemacht für einen 1500 Quadratmeter großen Supermarkt. An der Albert-Schweitzer-Straße wurde für das Vorhaben der Bebauungsplan geändert und ein Sondergebiet ausgewiesen. Der Kompromiss sei nötig gewesen, weil in der Ortsmitte kein Platz dafür gefunden werden konnte, sagt der Amtsleiter.

Das Verfahren an der Schönaicher Straße soll demnächst eingeleitet werden. „Es ist ein Weg, um zu prüfen, inwieweit der bestehende Bebauungsplan an das Vorhaben angepasst werden kann“, erklärt Wolfgang Pfeiffer. Dort müssen rechtliche Hürden wie die Grenzbebauung und auch Lärm überwunden werden. Die Kosten dafür trägt der Bauherr.