Das DFB-Team muss mit stark gewachsenen Ansprüchen leben – und wird gegen Kasachstan ausgepfiffen. Dabei gewannen die Deutschen mit 4:0.

Kaiserslautern - Mit langen Gesichtern sind einige Nationalspieler nach dem Schlusspfiff durch die Interviewzone geschlichen. Missmut statt Zufriedenheit hatte der Pflichtsieg im Pflichtspiel ausgelöst. Besonders betroffen von der schlechten Stimmung war Bastian Schweinsteiger. Beim 4:0 (3:0) gegen Kasachstan, mit dem die deutsche Nationalmannschaft in ihrem fünften EM-Qualifikationsspiel den fünften Sieg feierte, war der 26-Jährige in der zweiten Halbzeit zur Zielscheibe einer immer größer werdenden Unzufriedenheit geworden.

 

Viele der 47.849 Zuschauer in Kaiserslautern ließen ihren Unmut an dem Mittelfeldspieler aus, der im vorigen Sommer noch kurz davor gewesen war zum besten WM-Spieler gewählt zu werden. Pfiffe und einige "Schweinsteiger raus"-Rufe wurden um die 75. Minute laut, als dem Münchner zum wiederholten Mal ein Fehlpass unterlief. "Ich verstehe die Zuschauer nicht ganz. Das war eine komische Stimmung", sagte Schweinsteiger später.

Tief getroffen schien er nicht, aber zum Sündenbock wollte er sich dann doch nicht machen lassen. "Wir haben 4:0 gewonnen, wir haben acht Punkte Vorsprung. Was erwarten die Leute? Dass wir 10:0 gewinnen? Man muss die Kirche doch im Dorf lassen", sagte Schweinsteiger. Fast Aufreizend spielte er manchmal gegen den 135. der Weltrangliste. Einige gelupfte Pässe sahen prächtig aus, aber der Münchner gefiel sich an diesem Abend offenbar als lässiger Dirigent zwischen Defensive und Offensive. Wie zuletzt im Verein war seine Leistung besonders in der zweiten Halbzeit stark verbesserungswürdig.

Bayern-Spieler gemobbt

"Das empfinde ich als äußerst negativ. Bastian hat auch einmal das Recht, ein Spiel zu machen, das nicht ganz auf seinem Niveau abläuft. Er ist im deutschen Fußball ein unersetzbarer Spieler", rügte der Bundestrainer Joachim Löw das Publikum. "Die Ansprüche sind gewachsen aufgrund unserer letzten Spiele. Nun wird erwartet, dass man jeden Gegner mit 6:0, 7:0 oder 8:0 nach Hause schickt." Sami Khedira sind als Spieler von Real Madrid kritische Reaktionen von eigenen Fans fremd geworden: "Ich kenne jetzt eine zweite Mentalität des Fußballs. In Spanien unterstützen die Zuschauer ihr Team bis zur letzten Minute, egal wie es läuft."

Schweinsteiger stand nicht allein. Auch Mario Gomez bekam mit lauten Pfiffen sein Fett ab, als er in der 65. Minute für Lukas Podolski eingewechselt wurde. Da Gomez noch gar nicht negativ aufgefallen war, liegt die Erklärung auf der Hand, dass das Pfälzer Publikum einfach mal einige Spieler des FC Bayern mobben wollte. Der Anhang des 1. FC Kaiserslautern reagiert manchmal stark emotional und war noch nie ein Kandidat für einen Fair-Play-Preis.

Teilweise nachvollziehbar war die Reaktion aber durchaus, wie Miroslav Klose zugab. "Die Zuschauer reagieren auf ein gutes, temporeiches Spiel. Das haben wir nicht geboten." Ganz verderben darf man es sich mit dem Publikum schließlich nicht. Am Dienstag steht in Mönchengladbach vielleicht wieder eine dürftige Vorstellung an. In dem Test gegen Australien wird Löw eine B-Elf mit jüngeren, unerfahrenen Spieler zusammenstellen. Der Vorverkauf für die Partie lief miserabel, die Fans wissen offenbar, dass ihnen ein ähnlicher Langweiler blühen könnte wie beim Test der zweiten Garnitur gegen Dänemark (0:1) im März 2007 in Duisburg, drei Tage nach einem 2:1 in Tschechien.

15 Punkte aus fünf Spielen

Die zu hohen Erwartungen, die Löw ansprach, hatte er allerdings selbst geschürt. Er hatte versprochen, dass auf dem Betzenberg ein Spiel von hohem Unterhaltungswert stattfinden werde. Die Mannschaft müsse sich an ihren WM-Leistungen orientieren. Einigermaßen versöhnt waren die Zuschauer am Ende vor allem deswegen, weil Klose, ihr Pfälzer Bub, kurz vor dem Schlusspfiff sein zweites Tor erzielte.

Am Sonntag erfolgte der Transfer des Teams von Mainz nach Düsseldorf. Nach 15 Punkten aus fünf Spielen kann schon im Juni bei den Spielen in Österreich und Aserbaidschan vorzeitig die EM-Teilnahme perfekt gemacht werden. Nun folgt als Anhängsel auf das erste Pflichtspiel des Jahres eine Testbegegnung, die die Stammelf nicht braucht. Löw dünnte den Kader daher aus. Philipp Lahm, Mesut Özil und Khedira durften das Team, das auf 19 Kandidaten schrumpfte, für Heimaturlaube verlassen. Weitere Pfiffe der eigenen Fans müssen zumindest sie also nicht befürchten.

Deutschland: Neuer - Lahm, Mertesacker, Badstuber, Aogo - Khedira , Schweinsteiger (78.Kroos) - Müller (78. Götze), Özil, Podolski (65.Gomez) - Klose.

Kasachstan: Loria - Tschitschulin, Abdulin, Tschernyschow, Irismetow - Nurdauletow - Konysbajew, Geterijew (81. Ostapenko), Schumaskalijew (46. Baischanow), Nurgalijew (60. Kukejew) - Chischnitschenko.

Zuschauer: 47.849 (ausverkauft).

Schiedsrichter: Stavrev (Mazedonien).

Tore: 1:0 Klose (3.), 2:0 Müller (25.), 3:0 Müller (43.), 4:0 Klose (88.).